Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann von der Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der Klägerin ist Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung und hatte diese mit Mietvertrag vom 18.11.1996 an die Beklagte vermietet.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2002 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos wegen Störung des Hausfriedens aufgrund eines Vorfalles in der Nacht vom 22. auf den 23.5.2002. In dieser Nacht war der Bruder der Beklagten bei ihr zu Besuch und randalierte. Er trat bei zwei Mietparteien die Eingangstüren ein, bespuckte und bedrohte massiv unbeteiligte Mitbewohner. Gegenüber den Mitbewohnern Schaireiter sagte er: „Hast du Wichser die Polizei gerufen, ich stech euch ab”.
Eine Abmahnung ist der Kündigung nicht vorausgegangen.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung … mit sämtlichen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Sie trägt vor, sie habe nicht verhindern können, daß ihr Bruder randaliert habe. Sie habe auch Angst vor ihm gehabt und deshalb die Polizei gerufen. Seit dem Vorfall habe sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Bruder und werde ihn auch nicht mehr in ihre Wohnung lassen.
Beweis wurde nicht erhoben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Akteninhalt sowie auf das Protokoll der Hauptverhandlung vom 9.8.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 27.5.2002 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Die Beklagte muß sich zwar das Verhalten ihres Besuchers zurechnen lassen und dieses stellt auch eine massive Hausfriedensstörung dar und damit eine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten der Beklagten. Grundsätzlich ist aber gemäß § 543 Abs. 3 BGB Voraussetzung der Kündigung eine erfolglose Abmahnung, welche hier nicht erteilt wurde. Nur ausnahmsweise ist eine Abmahnung entbehrlich, nämlich wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspricht oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat durchaus die Möglichkeit, solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern, indem sie ihren Bruder nicht mehr zu sich in die Wohnung lässt, wie sie es seit dem Vorfall auch gehalten hat. Auch unter Abwägung der Interessen der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten ist hier eine sofortige Kündigung ohne vorangehende Abmahnung nicht gerechtfertigt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nicht die Beklagte selbst den Hausfrieden gestört hat, sondern ihr das Verhalten ihres Bruders zugerechnet wird und sie unbestritten an dem Abend des Vorfalls keine Möglichkeit hatte, den Vorfall zu verhindern, so daß das Verschulden auf Seiten der Beklagten als relativ gering anzusehen ist. Indem sie die Polizei rief, hat sie sich zumindest bemüht, den Schaden zu begrenzen. Auch unter Berücksichtigung dessen, daß hier massivste Angriffe auf Mitmieter erfolgten, überwiegen die Interessen der Klägerin an einer sofortigen Kündigung ohne vorangehende Abmahnung hier nicht. Es ist der Klägerin zuzumuten, das Mietverhältnis mit der Beklagten fortzusetzen, weil diese selbst keine Bedrohung für die anderen Mitmieter darstellt und als Folge einer Abmahnung dafür sorgen kann, daß ihr Bruder und andere gewalttätige Besucher nicht mehr zu ihr in die Wohnung kommen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung erging gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1467626 |
WuM 2004, 204 |