Tenor

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

 

Tatbestand

Dem Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid vom 9. September 1997 ein Mindestlohnverstoß gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)) zur Last gelegt.

Das Gericht hat den Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen.

I.

Die Hauptverhandlung hat folgende Feststellungen ergeben ….

Der Betroffene ist Inhaber eines Maurerbetriebes mit Sitz im …. Das Unternehmen befindet sich einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Der Betroffene schloß im Jahre 1998 mit seinen Gläubigern einen Vergleich, um den Betrieb vor dem Konkurs zu bewahren. Er lebt gegenwärtig von den Einkünften seiner Ehefrau.

Im Zeitraum vom 1.1.1997 bis 30.6.1997 zahlte der Betroffene folgenden in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern einen Stundenlohn von weniger als 15,64 DM, und zwar

  • dem Maurer … 14,50 DM,
  • dem Maurer … 13,00 DM,
  • dem Maurer … 13,50 DM,
  • dem Maurer … 15,00 DM,
  • dem Maurer … 13,00 DM,
  • dem Maurer … 14,00 DM,
  • dem Maurer … 13,00 DM,
  • dem Maurerhandlanger … 13,00 DM,
  • dem Maurer … 13,50 DM,
  • dem Maurer … 14,00 DM,
  • dem Maurer … 13,50 DM,
  • dem Maurer … 14,00 DM,
  • dem Kraftfahrer … 14,00 DM,
  • dem Maurer … 15,50 DM,
  • dem Maurer … 15,50 DM,
  • dem Baufacharbeiter … 14,00 DM,
  • dem Maurer … 13,00 DM,
  • dem Installateur … 15,50 DM,
  • dem Maurer … 15,00 DM,
  • dem Maurer … 14,50 DM,
  • dem Maurer … 13,50 DM,
  • dem Maurer … 11,50 DM und
  • dem Maurer … ebenfalls 11,50 DM.

Für diesen Zeitraum errechnet sich für die von den aufgeführten Arbeitnehmern auf Baustellen in Mecklenburg Vorpommern insgesamt geleisteten 17088,55 Arbeitsstunden gegenüber einem Lohn von 15,64 DM eine Lohndifferenz von 30318,19 DM, die der Betroffene erspart hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der festgestellte Sachverhalt steht fest aufgrund der teilweisen Einlassung des Betroffenen zu der wirtschaftlichen Situation seines Betriebes, der Vernehmung einiger Arbeitnehmer als Zeugen sowie durch Verwertung der verlesenen bzw. durch Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden. Der Betroffene hat sich zur Sache lediglich dahingehend erklärt, die Arbeitnehmer … und … seien als Traktoristen in seinem Betrieb tätig. Diese Einlassung ist widerlegt durch die glaubhaften uneidlichen Aussagen der Zeugen … und …. Der Zeuge … hat bekundet, er sei als Maurer in der Funktion als Vorarbeiter tätig. Der Zeuge hat glaubhaft ausgesagt, er sei bis zu seiner Kündigung am 10.3. als Handlanger und Maschinenführer tätig gewesen. Er habe auf Baustellen Bagger und Radlader bedient, aber auch beim Errichten von Dachstühlen geholfen. Die Aussagen der Zeugen werden durch die Arbeitnehmer … und … betreffenden Lohnunterlagen bestätigt.

III.

Die festgestellte Handlung erfüllt auch den Tatbestand eines Mindestlohnverstoßes gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 des AEntG, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 1 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 4 AEntG eine dort genannte Arbeitsbedingung nicht gewährt.

Gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AEntG sind alle Arbeitgeber, die im Inland Bauleistungen im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 2 AFG erbringen, unabhängig von ihrem Sitz im Inland oder Ausland verpflichtet, den durch den Bundesarbeitsminister am 12.11.1996 für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 2. September 1996 einzuhalten.

Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf im Beschluß vom 3.7.1998, Az: 5 Ss (Owi) 225/98 – Owi 98/98 I = 9 Js 726/97 StA Krefeld die Rechtsauffassung vertreten hat, der Mindestlohnverstoß eines inländischen Arbeitgebers sei nicht bußgeldbewehrt, weil für inländische Arbeitnehmer ohnehin deutsches Recht gelte, somit § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG für diese nicht eingreife, teilt das erkennende Gericht diese Rechtsauffassung nicht und vermag sich ihr nicht anzuschließen. Nach Auffassung des Gerichts verkennt diese Entscheidung die Bedeutung der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG als Konkretisierung des Artikel 30 EGBGB. Die Norm erklärt die genannten Arbeitsbedingungen zu zwingenden Vorschriften (Eingriffsnormen) im Sinne des internationalen Privatrechts für die Fälle, in denen nicht ohnehin deutsches Recht anzuwenden ist. Dies ist gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB der Fall, wenn gar keine Entsendung vorliegt, weil der Arbeitnehmer gewöhnlich in Deutschland arbeitet (30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB) oder die Entsendung nicht aus einem gewöhnlich im Ausland vollzogenen Stammarbeitsverhältnis vollzogen wird, weil sich die Niederlassung des Unternehmens in Deutschland befindet (30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB). Wenn die Voraussetzungen des Artikel 30 Abs. 2 EGBGB erfüllt sind, ist eine Erstreckung nicht erforderlich, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Entsendegesetz in dessen Geltungsbereich ohnehin unterworfen ist. Dies verdeutlicht auch die Wendung „auch” in § 1 Abs. 1 AEntG. Die Anwendung auch auf A...

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