Tenor
Die Gerichtsvollziehererinnerung der Gläubigerin vom 4. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Gläubigerin, ein Energieversorgungsunternehmen, ist Inhaber eines vollstreckbaren Versäumnisurteils, dessen Ausspruch im wesentlichen wie folgt lautet:
„Dem Beklagten wird aufgegeben, dem Beauftragten der Klägerin Zutritt zu dem Wohnobjekt in der F.-Straße in W. zu gestatten und die Einstellung der Gasversorgung durch Sperrung des Gaszählers Nr. … zu dulden.”
Der Schuldner duldete die Vollstreckung nicht freiwillig. Der Gerichtsvollzieher lehnt eine zwangsweise Durchsetzung des titulierten Anspruchs ohne Vorliegen einer ausdrücklichen richterlichen Durchsuchungserlaubnis ab. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Gläubigerin.
Der Rechtsbehelf ist zwar zulässig (§ 766 Abs. 2 ZPO), nicht aber begründet:
Der Schuldner, ist durch das Urteil im Erkenntnisverfahren zweifelsfrei zur Zutrittsgewährung verurteilt worden. Ein solcher Ausspruch ist nach den §§ 890; 892 ZPO vollstreckbar.
Der richterliche Ausspruch des Erkenntnisverfahrens beinhaltet nicht gleichzeitig die Erlaubnis, zwangsweise und ohne Einwilligung des Schuldners dessen Wohnung zu betreten. Gerichtliche Erkenntnisse, die den Schuldner zu einem bestimmten Tun verpflichten, bedürfen für ihre Vollstreckbarkeit in der Wohnung des Schuldners einer gesonderten richterlichen Erlaubnis auch dann, wenn bereits das Erkenntnis von einem Richter stammt (§ 758 a ZPO). Dies lässt dem Schuldner die Freiheit, infolge des richterlichen Erkenntnisses die Leistung freiwillig zu erbringen oder zu dulden (so auch BVerfG NJW 1979, 1540 unter III b).
Bestimmte Verpflichtungen, so insbesondere die Räumungsverpflichtung, greifen bereits durch das gerichtliche Erkenntnis derart intensiv in den Besitz des Schuldners ein, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Art von Vollstreckungstiteln von der Erforderlichkeit einer gesonderten richterlichen Durchsuchungserlaubnis freigestellt hat (§ 758 a Abs. 2 ZPO).
Bestimmte Herausgabetitel könnten dem Richter bereits im Erkenntnisverfahren aufdrängen, dass sie nur durch ein Betreten der Wohnung des Schuldners zwangsweise vollstreckt werden könnten. (Herausgabe einer Küchenmaschine oder eines Einrichtungsgegenstandes; ähnlich wohl auch hier der Gaszähler). Der Gesetzgeber hat aber für diese Fälle eine Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 758 a Abs. 2 ZPO abgelehnt. Der Gesetzentwurf des Bundesrates weist in diesem Zusammenhang – nach Auffassung des Gerichts zutreffend – darauf hin, dass sich zum Zeitpunkt der Erkenntnis nicht immer erschließt, wie die häusliche Situation des Schuldners bei der späteren Vollstreckung beschaffen sein wird und ob die Vollstreckungsmaßnahme dann zumutbar wäre (BT-Drucksache 13/341 S. 17).
Die Vollstreckung der Zählersperrung ist auch nicht deswegen erlaubnisfrei, weil sich der Zähler in der Wohnung des Schuldners an einem fest eingebauten Ort befindet und ein längeres Suchen entbehrlich wäre. Gleichwohl handelt es sich um eine erlaubnispflichtige Durchsuchung im Sinne von § 758 a ZPO. Die Wohnung steht unter dem besonderen Schutz der Verfassung (Art. 13 Abs. 1 GG; jüngst BVerfG NJW 2004, 1002). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch in seiner von der Gläubigerin zitierten Entscheidung vom 19. November 1999 (NJW 2000, 943, 944) ausgeführt, dass es sich um eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG handele, wenn Vollstreckungsorgane eine Wohnung betreten, um dort dem Inhaber ein Kind wegzunehmen, das dieser nicht herausgeben wolle. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang nicht erkennbar darauf abgestellt, ob das Kind dem Vollstreckungsorgan unmittelbar nach Betreten der Wohnung sofort ansichtig geworden wäre oder ob danach zu suchen wäre. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Unverletzbarkeit der Wohnung unbedeutend.
Im vorliegenden. Fall stammt das Urteil des Erkenntnisverfahrens von dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Gebäude mit dem zu sperrenden Gaszähler belegen ist. Insoweit hat der nach § 758 a Abs. 1 S. 1 ZPO jedenfalls örtlich zuständige Richter entschieden. Eine solche Identität erscheint aber eher zufällig. Die Herausgabevollstreckung könnte in anderen Fällen entweder von einem Amtsgericht ausgeurteilt werden, in dessen Bezirk das Gebäude mit dem Zähler nicht belegen ist oder aber von einem für den Vollstreckungsort zuständigen Land- oder Oberlandesgericht. In all diesen Fällen wäre aber dem Erfordernis des § 758 a Abs. 1 S. 1 ZPO nicht genüge getan. Auch dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber aus dem Erkenntnis nicht auch die Durchsuchungsbefugnis abgeleitet wissen wollte.
Es ist daher für das Gericht nicht mehr von streitentscheidender Bedeutung, dass die Gläubigerin – trotz Anforderung – den Vollstreckungstitel nicht im Original vorgelegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1766931 |
RdE 2006, 139 |
WuM 2006, 106 |
CuR 2006, 27 |