Verfahrensgang

AG Neuss (Urteil vom 08.05.2000; Aktenzeichen 44 C 1528/00)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Neuss vom 08.05.2000 – 44 C 1528/00 – mit Ausnahme der Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung zu unterlassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheit kann auch durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen großen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Klage richtete sich gegen die nach Auffassung des Klägers sittenwidrige Zwangsvollstreckung aus dem im Tenor bezeichneten Versäumnisurteil.

Unter dem 21.02.2000 erhob der Beklagte gegen den Kläger unter dem Aktenzeichen 44 C 1528/00 vor dem Amtsgericht Neuss Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen. Die Hauptforderung wurde mit ausstehenden Mietzinszahlungen aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages für die Monate Juli und August 1999 in Höhe von jeweils 3.000,00 DM begründet. Der hiesige Beklagte trug in dem dortigen Verfahren vor, dass der hiesige Kläger die Mieten noch schuldig geblieben sei. Tatsächlich hatte der Kläger die Mieten für die Monate Juli und August 1999 jedoch bereits gezahlt, was dem Beklagten nicht aufgefallen war.

Auf Antrag des Beklagten erließ das Amtsgericht Neuss auf die mündliche Verhandlung vom 08.05.2000 ein Versäumnisurteil, in welchem der hiesige Kläger kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar verurteilt wurde, an den hiesigen Beklagten 6.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.07.2000 zu zahlen. Gegen dieses Versäumnisurteil legte der Kläger keinen Einspruch ein.

Aus diesem Versäumnisurteil betreibt der Beklagte nunmehr die Zwangsvollstreckung, obwohl ihm mittlerweile bekannt ist, dass die Mieten, die Streitgegenstand dieses Rechtsstreits waren, bereits gezahlt worden sind.

Der Kläger ist der Auffassung, dass das Verhalten des Beklagten eine sittenwidrige Schädigung darstelle.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des AG Neuss vom 08.05.2000, Aktenzeichen 44 C 1528/00 zu unterlassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass das Betreiben der Zwangsvollstreckung zulässig sei, weil noch eine offene Forderung des Beklagten gegen den Kläger in gleicher Höhe – Mietzins für September und Oktober 1999 – bestehe.

Der Kläger behauptet hierzu, dass er die Mieten für September und Oktober 1999 bar bezahlt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten gem. § 826 BGB einen Anspruch, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zu unterlassen, da das Betreiben der Zwangsvollstreckung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers durch den Beklagten darstellt.

Das Urteil, aus dem der Beklagte die Zwangsvollstreckung betreibt, ist unstreitig inhaltlich unrichtig. Der dort titulierte Anspruch besteht nicht, da der Kläger die in dem dortigen Verfahren streitgegenständlichen Mieten bereits bezahlt hat.

Hinzu kommen weitere Umstände, die das Verhalten des Beklagten als sittenwidrig erscheinen lassen. Diese sind darin zu sehen, dass er in dem Bewusstsein, dass die titulierte Forderung nicht besteht, wegen eines anderen streitigen Anspruchs die Zwangsvollstreckung betreibt.

Dieser Gesichtspunkt unterscheidet den vorliegenden Rechtsstreit von denjenigen, die vom OLG Bremen (NJW-RR 2001, 1036) und dem Bundesgerichtshof (BGHZ 112, 54) entschieden worden sind. In diesen Fällen, in denen es um das Beharren auf einen Prozessvergleich und um die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid ging, war jeweils die geltend gemachte Forderung streitig. So hat sich, wie üblicherweise in einem Rechtsstreit, die eine Seite auf den Standpunkt gestellt, dass die umstrittene Forderung bestehe, und die andere Seite die Auffassung vertreten, dass die Forderung nicht gerechtfertigt sei. In Bezug auf solche Fälle wurde dann entschieden, dass die Tatsache, dass ein neutrales Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände möglicherweise zu dem Ergebnis kommen würde, dass der titulierte Anspruch nicht besteht, alleine nicht ausreicht, um die Zwangsvollstreckung als sittenwidrig erscheinen zu lassen ….

Im vorliegenden Fall räumt der Beklagte jedoch unumwunden ein, dass der titulierte Anspruch nicht besteht. Es besteht zwischen den Parteien überhaupt kein Streit, dass die in dem dortigen Verfahren streitgegenständlichen Mieten gezahlt worden sind und der Titel nur deshalb zustande gekommen ist, weil der Beklagte – wenngleich versehentlich – in der Klageschrift fälschlicherweise angegeben hat, dass sie noch nicht gezahlt worden seien, und der Kläger sich dagegen nicht gewehrt hat. Dass der Beklagte aus einem so erlangten Titel die Zwangsvollstreckung wegen einer anderen streitigen Forderung, über die nie ein Ge...

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