Leitsatz (amtlich)

Die sog. professionelle Zahnreinigung im Airflow-Verfahren stellt eine Ausübung der Zahnheilkunde dar.

 

Normenkette

ZHG § 18 Nr. 1; StGB § 53

 

Tenor

Die Angeklagte wird wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde in 3 Fällen zu der

Gesamtgeldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20,- Euro verurteilt.

Die Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Die 30-jährige Angeklagte ist gelernte zahnmedizinische Fachassistentin und arbeitet derzeit, nachdem sie etwa 10 Jahre lang bei einem Zahnarzt angestellt war, als selbstständige Zahnkosmetikerin. Zusätzlich arbeitet sie noch 2,5 Tage freiberuflich in einer Zahnarztpraxis und verdient insgesamt monatlich ca. 2.500,- Euro brutto (netto ca. 1.000,- Euro). Die Einnahmen teilen sich wie folgt auf: 60% aus dem Zahnkosmetikstudio und 40% aus der freiberuflichen Tätigkeit in der Zahnarztpraxis.

Die Angeklagte ist verheiratet und hat eine Tochter im Alter von zehn Monaten.

Das monatliche Kindergeld beträgt ca. 186,- Euro. Ihr Ehemann verdient monatlich circa 1.000,- Euro netto.

Die monatliche Warmmiete beträgt 700,- Euro. Die Angeklagte hat aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit Schulden in Höhe von circa 30.000,- Euro, welche sie mit monatlich 200,- Euro abbezahlt.

Strafrechtlich ist die Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Die Angeklagte führte in ihrem Zahnkosmetikstudio in F., Behandlungsmaßnahmen der ästhetischen Zahnheilkunde durch, namentlich Behandlungen mit einem sog. "Airflow"-Pulverstrahlgerät, mit dem in Wasser gelöste Salze oder andere Pulver unter Druck auf die Zähne aufgebracht werden, ohne dass sie -wie sie wusste- die Zahnheilkunde ausüben durfte und ohne im Wege der Delegation auf Anordnung eines Berechtigten zu handeln, nämlich

  • 1.

    am 26.07.2008 bei J.,

  • 2.

    am 26.07.2008 bei T. und

  • 3.

    am 19.08.2008 bei E.

III.

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben der Angeklagten.

Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Schulte und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden.

Der vorgenannte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des glaubhaften Geständnisses der Angeklagten fest.

Die Angeklagte hat vollumfänglich eingeräumt, die vorgenannten Personen zu den vorbezeichneten Zeitpunkten mit dem sog. "Airflow"-Pulverstrahlgerät behandelt zu haben.

Sie ist jedoch der Ansicht, dass die Behandlung mit dem sog. "Airflow"-Pulverstrahlgerät nicht unter das Zahnheilkundegesetz falle und somit nicht strafbar sei.

Dem konnte jedoch nicht gefolgt werden.

Die Entfernung von Zahnverfärbungen und Zahnbelag unter Verwendung von Pulver- Wasserstrahl-Geräten (Airflow-Geräten) erfüllt den Straftatbestand der §§ 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 ZHG. Es handelt sich hierbei um die Ausübung von Zahnheilkunde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZHG.

1.

Bei der Verwendung von Luft-Pulver-Wasserstrahlgeräten werden kleinste Pulverpartikel verschiedener Stoffe (Salze, Metalle) mit Wasser von einem starken Luftstrom transportiert und konstruktionsbedingt an der Austrittsdüse beschleunigt. Beim Auftreffen dieser Teilchen auf die Oberfläche des Zahnes führt diese Bewegungsenergie zu einem Substanzabtrag von Belägen auf dem Zahn oder von Zahnhartsubstanz. Haupteinsatzgebiet ist die professionelle Zahnreinigung zur Entfernung von Genuss- und Nahrungsmittelverfärbungen (Nikotin, Kaffee, Tee, Rotwein) und von sonstigen Belägen auf den sichtbaren Zahnflächen. Derartige Behandlungen hat die Angeklagte durchgeführt.

2.

Einer Straftat nach § 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 ZHG macht sich nur schuldig, wer im Geltungsbereich des ZHG die Zahnheilkunde dauernd ausübt ohne eine Approbation oder Erlaubnis als Zahnarzt zu besitzen oder gemäß § 1 Abs. 2, § 14 oder § 19 ZHG zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt zu sein. Unter Ausübung der Zahnheilkunde ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ZHG die berufsmäßige und auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zu verstehen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 ZHG ist als Krankheit unter anderem jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen.

Die Angeklagte verfügt unstreitig weder über eine entsprechende Approbation noch über eine entsprechende Erlaubnis. Sie führt die Zahnreinigung im Airflow-Verfahren berufsmäßig aus.

Die Zahnreinigung im Airflow-Verfahren ist nach Ansicht des Gerichts Ausübung der Zahnheilkunde im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 ZHG und unterfällt damit dem normierten Zahnarztvorbehalt. Eine Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen der § 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 ZHG ergibt, dass das Verhalten der Angeklagten unter die Begriffe der "auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründeten Feststellung und Behandlung von Zahnkrankheiten" fällt.

Bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen der § 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 ZHG ist zunächst der Sinn und Zweck der in § 1 Abs. 1 ZHG getroffenen ...

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