Leitsatz (amtlich)
1. Auf eine nach altem Recht im Scheidungsverbund ergangene einstweilige Anordnung zum Ehegattenunterhalt ist nach Art. 111 Abs. 5 FGG-RG neues Recht anzuwenden, wenn im Rahmen des Scheidungsverfahrens erst nach dem 31.08.2010 eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erlassen wurde. Dies hat zur Folge, dass die einstweilige Anordnung zum Unterhalt so zu behandeln ist, als sei sie von Anfang an in einem selbständigen Verfahren ergangen.
2. Nach neuem Recht kann eine einstweilige Anordnung zum Ehegattenunterhalt nicht mehr innerhalb des Scheidungverbundverfahrens erlassen werden, da es sich bei der einstweiligen Anordnung gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 FamFG um ein selbständiges Verfahren handelt.
3. Eine selbständige einstweilige Anordnung zum Trennungsunterhalt ist auf Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FamFG aufzuheben, wenn die Ehe der Beteiligten zwischenzeitlich rechtskräftig geschieden wurde.
4. Für eine rückwirkende Aufhebung einer einstweiligen Anordnung über den Unterhalt besteht regelmäßig kein Anlass, da die einstweilige Anordnung als vorläufige Entscheidung, die nicht in materielle Rechtskraft erwächst, ohnehin nichts darüber ausssagt, ob der Unterhaltsgläubiger die Unterhaltsleistungen endgültig behalten darf.
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Entscheidung vom 30.09.2008; Aktenzeichen 3 F 431/08) |
Tenor
1.
Ziffer 2 der einstweiligen Anordnung gemäß Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 30.09.2008, Az.: 3 F 431/08, wird aufgehoben.
2.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen
3.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
4.
Der Verfahrenswert wird auf 4.992,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung zum Ehegattenunterhalt.
Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Das Scheidungsverfahren war unter dem Aktenzeichen 3 F 431/08 beim hiesigen Amtsgericht anhängig. Der Scheidungsantrag war am 07.03.2008 bei Gericht eingegangen. Mit innerhalb des Verbundverfahrens nach mündlicher Verhandlung ergangenem Beschluss vom 30.09.2008 hat das Gericht den Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung u.a. verpflichtet, einen "laufenden monatlichen Ehegattenunterhalt" in Höhe von 832,00 EUR zu zahlen. Die ebenfalls anhängige Folgesache nachehelicher Unterhalt wurde mit Beschluss vom 19.10.2011 vom Scheidungsverbund abgetrennt. Das abgetrennte Hauptsacheverfahren ist nach wie vor anhängig. Mit Endbeschluss vom 08.12.2011 wurde die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Scheidungsbeschluss ist seit 20.01.2012 rechtskräftig.
Der Antragsteller beantragt,
die einstweilige Anordnung des Gerichts vom 30.09.2008 mit Wirkung vom 20.01.2012 in Ziffer 2 aufzuheben sowie die Vollstreckung auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
II.
Es findet vorliegend das neue Verfahrensrecht Anwendung. Das Scheidungsverfahren und das Verfahren der einstweiligen Anordnung wurden zwar vor dem 01.09.2009 eingeleitet, sodass gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG grundsätzlich das alte Recht anzuwenden wäre. Auf das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist aber gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG neues Recht anwendbar, da im Rahmen des Scheidungsverfahrens erst nach dem 31.08.2010 eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erlassen wurde (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.02.2012 - 10 WF 30/12 - [...]).
1.
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung hat im Wesentlichen Erfolg. Er war lediglich zurückzuweisen, soweit beantragt wurde, die einstweilige Anordnung rückwirkend zum 20.01.2012 aufzuheben.
a)
Eine einstweilige Anordnung zum Trennungsunterhalt ist auf Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FamFG aufzuheben, wenn die Ehe der Beteiligten zwischenzeitlich rechtskräftig geschieden wurde.
aa)
Hinsichtlich der Aufhebbarkeit einer einstweiligen Anordnung zum Trennungsunterhalt war nach altem Recht zu unterscheiden wie folgt:
War die einstweilige Anordnung gemäß § 620 Nr. 6 ZPO a.F. im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergangen, galt diese nach § 620 f ZPO a.F. auch für die Zeit nach dem Eintritt der Rechtskraft der Scheidungsentscheidung bis zum Wirksamwerden einer anderweitigen Unterhaltsregelung fort (BGH NJW 1983, 1330). Nach rechtskräftiger Scheidung konnte die einstweilige Anordnung zum Ehegattenunterhalt nicht mehr gemäß § 620 b ZPO a.F. aufgehoben oder abgeändert werden; vielmehr war der Schuldner auf eine negative Feststellungsklage verwiesen, wenn er geltend machen wollte, dass der Unterhaltsanspruch nicht oder nicht in der per einstweiliger Anordnung titulierten Höhe besteht (BGH a.a.O.).
Handelte es sich hingegen um eine einstweilige Anordnung, die gemäß § 644 ZPO a.F. außerhalb des Verbunds im Rahmen eines Trennungsunterhaltsverfahrens erwirkt worden war, war diese im Falle einer rechtskräftigen Scheidung auf Antrag gemäß § 620 b Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. aufzuheben, weil die Wirkung der einstweiligen Anordnung nicht weiter gehen durfte als die Hauptsache (Hüßtege in Thomas/Putzo, 28. Auflage 2007, § 644 Rz. 5...