Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsätzliche Insolvenzverschleppung stellt ein sittenwidriges Unterlassen i.S.v. § 826 BGB dar
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.934,92 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2009 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Klageforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung begründet ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten als damaligen Geschäftsführer der in Insolvenz geratenen Q GmbH, I, wegen verspäteter Insolvenzantragstellung auf Ersatz des von ihr geleisteten Insolvenzgeldes in Anspruch.
Der Beklagte war seit dem 07.01.2004 Geschäftsführer der Q GmbH in I. Bereits im April 2004 war die Gesellschaft zahlungsunfähig und überschuldet. Trotzdessen wurden am 15.03.2005 der Arbeitnehmer N S und am 08.03.2006 der Arbeitnehmer S C eingestellt. Erst am 14.02.2007 stellte der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches sodann mit Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 12.03.2007, Az.: 106 IN 30/07, wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet wurde. Q GmbH war in diesem Zeitpunkt den Arbeitnehmern S und C Löhne- und Gehälter rückständig, weshalb die Klägerin zur Zahlung von Insolvenzgeld gem. § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III verpflichtet war. Die Agentur für Arbeit I gewährte dem Arbeitnehmer S vom 01.12.2006 bis zum 08.01.2007 und dem Arbeitnehmer C vom 12.12.2006 bis zum 11.03.2007 die rückständigen Löhne und Gehälter als Insolvenzgeld. Die Summe der Insolvenzgeldzahlungen an diese Arbeitnehmer beläuft sich auf insgesamt 4.934,92 Euro.
Eine Realisierung der Forderung gegen die insolvente Q GmbH war nicht möglich, weswegen die Klägerin mit ihrer Forderung ausgefallen ist. Den entstandenen Schaden in Folge des Forderungsausfalls verlangt die Klägerin nun mit der eingereichten Klage von dem Beklagten.
Die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei bereits kurz nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer bekannt gewesen, dass die Gesellschaft seit April 2004 fortlaufend zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Auch habe er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden der Gläubiger auswirken könne und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens hinreichend vorausgesehen.
Die Klägerin ist der Ansicht, es sei insoweit nicht erforderlich gewesen, dass dem Beklagten das Institut des Insolvenzgeldes bekannt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 4.934,92 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2009 zu zahlen;
sowie festzustellen, dass die Klageforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung begründet ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, ihm sei vor 2006 nicht bewusst oder bekannt gewesen, dass sich Q GmbH bereits 2004 in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe. Er habe erst im Nachhinein erkannt, dass eine Überschuldung bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten war. Auch habe er aufgrund der guten Umsätze seiner Mitarbeiter darauf vertraut, dass alle Verbindlichkeiten erfüllt werden können.
Der Beklagte ist der Ansicht, keinesfalls vorsätzlich gehandelt zu haben. Allenfalls könne ihm aufgrund der mangelenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse Fahrlässigkeit vorgehalten werden.
Das Gericht hat die Strafakte der Staatsanwaltschaft I 300 Js 745/07 beigezogen und zu Beweiszwecken gewertet. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die beigezogene Akte.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 4.934,92 Euro aus § 826 BGB zu.
Der Beklagte hat der Klägerin einen sittenwidrigen Schaden zugefügt.
Gemäß Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 02.06.2008 (Az.: 76 Ds 300 Js 745/07-173/07) ist der Beklagte u. a. der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung schuldig. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung stellt ein sittenwidriges Unterlassen im Sinne von § 826 BGB dar (BGH, WM 2010, S. 220 ff. [BGH 13.10.2009 – VI ZR 288/08]; 2008, 456 ff. m.w.N.). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Stellung des Insolvenzantrages unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach als überwindbar einschätzte und daher Bemühungen um ihre Behebung durch ein Sanierungsversuch als lohnend und berechtigt ansehen durfte. Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass der Insolvenzantrag mit Rücksicht auf ein als aussichtsreich erachteten Sanierungsversuch unterblieben sei. Im Übrigen bietet der von dem Beklagten vorgetragene Streitstoff keinen genügenden Anhalt, der eine solche Annahme trag...