Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 01.07.2013 zu den Tagesordnungspunkten 11.1 und 11.2 nichtig sind.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft S.. Der Kläger ist Eigentümer eines 96,36/1.000 Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 21. Die Beigeladene ist die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Zur Wohnung des Klägers gehört eine Dachterrasse. Deren Sanierung ist seit mehreren Jahren zwischen den Parteien streitig. Im dem Verfahren 92 C 4052/10 (81) schlossen die Parteien am 03.08.2011 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie die Modalitäten der Sanierung auf der Basis des Angebots der Fa. H… und die Kostenbeteiligung des Klägers im Detail festlegten. Wegen des genauen Wortlauts des Vergleichs wird auf Bl. 66 d.A. Bezug genommen. Bei dem Versuch, die vergleichsweise vereinbarte Sanierungsvariante umzusetzen, zeigten sich jedoch Folgeprobleme. Die Beigeladene lud daher zur Frage der Sanierung der klägerischen Dachterrasse zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 08.05.2012 ein, in der unter TOP 4 ein Beschluss zur Sanierung der Dachterrasse gefasst wurde. Dieser Beschluss wurde vom Kläger angefochten.
In der Eigentümerversammlung am 01.07.2013 wurde die Problematik der Sanierung der klägerischen Dachterrasse erneut erörtert. Unter TOP 10 wurde der Beschluss der Eigentümerversammlung am 08.05.2012 zu TOP 4 aufgehoben. Sodann wurde unter TOP 11.1 eine neue Sanierungsvariante auf Basis des Angebots der Fa. U… und eine Verrechnung der Sonderumlage und unter TOP 11.2 eine Vakuumdämmung für die Dachterrasse beschlossen. Wegen des genauen Wortlauts der Beschlüsse wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 12 f d.A.) Bezug genommen.
Die Beschlüsse zu TOP 11.1 und 11.2 werden von dem Kläger mit der vorliegenden Klage angefochten. Der Kläger behauptet, die im Vergleich festgelegte Sanierungsvariante sei technisch nicht umsetzbar; auch die nunmehr beschlossene Sanierungsvariante sei technisch nicht umsetzbar und werde seinen Bedürfnissen nicht gerecht. Er ist daher der Auffassung, die angefochtenen Beschlüsse entsprächen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Der Kläger beantragt,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 01.07.2013 zu
den Tagesordnungspunkten 11.1 und 11.2 für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die beschlossene Sanierungsvariante sei technisch umsetzbar und werde den Bedürfnissen aller Wohnungseigentümer gerecht. Sie sind daher der Auffassung, die angefochtenen Beschlüsse entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwalterin wurde beigeladen (§ 48 Abs. 1 S. 2 WEG). Sie ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG sachlich und örtlich ausschließlich zuständig.
Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).
Die Klage ist auch begründet.
Der angefochtenen Beschlüsse sind nichtig, da sie dem gerichtlichen Vergleich vom 03.08.2011 widersprechen.
Der gerichtliche Vergleich beendet das Verfahren und schafft einen vollstreckbaren Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Er ist jedoch nicht nur Prozesshandlung, sondern zugleich ein materiell-rechtlicher Vertrag i.S.d. § 779 BGB (sog. Doppelnatur des Vergleichs s. Palandt 71. Aufl. München 2012 § 779 Rdnr. 29 m.w.Nachw.). Mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs in der mündlichen Verhandlung am 03.08. 2011 haben die Parteien somit einen Vertrag geschlossen und damit eine Vereinbarung i.S.d. 10 Abs. 2 S. 2 WEG getroffen (s. OLG Köln Urteil vom 12.02.2003, Az. 16 Wx 204/12 zitiert nach juris vgl. Jennißen „WEG” 3. Aufl. Köln 2012 § 10 Rdnr. 8).
Soweit nun der Kläger vorträgt, der gerichtliche Vergleich vom 03.08.2011 sei aus technischen Gründen gar nicht umsetzbar, hätte er ihn möglicherweise wegen Irrtums anfechten oder eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB beantragen können. Da er beides nicht getan hat, ist der gerichtliche Vergleich weiterhin für die Parteien bindend und kann nur durch eine erneute Vereinbarung geändert werden (s. Bärmann „WEG” 12. Aufl. München 2012 § 10 Rdnr. 133).
Die angegriffenen Beschlüsse sind daher vereinbarungsändernde Beschlüsse und als solche mangels Beschlusskompetenz nichtig (s. Bärmann a.a.O. § 10 Rdnr. 134
vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten „WEG” 10. Aufl. Bonn 2013 § 10 Rdnr. 47).
Als unterlegene Partei haben die Beklagten die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Fundstellen