6.1 Was muss bei einer Stellenausschreibung im Hinblick auf mögliche Diskriminierungen beachtet werden?
Die Festlegung des Anforderungsprofils für den Arbeitsplatz obliegt dem Arbeitgeber. Jede Stellenausschreibung ist nach dem AGG grundsätzlich geschlechtsneutral abzufassen. Darüber hinaus darf eine Stelle auch nicht unter Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen eines der anderen durch das AGG geschützten Merkmale ausgeschrieben werden. D. h. sie darf nicht eines der in § 1 AGG genannten Merkmale als Einstellungsvoraussetzung enthalten, sofern hierfür nicht ein gesetzlich zugelassener Rechtfertigungsgrund vorliegt.
6.2 Wann ist eine Stellenausschreibung geschlechtsneutral?
Geschlechtsneutral ist die Ausschreibung, wenn die Berufsbezeichnung in der männlichen oder der weiblichen Form verwendet und zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass alle drei Geschlechter angesprochen werden sollen, z. B. durch den Zusatz (m/w/d) (= männlich/weiblich/divers).[1] Unbedenklich ist es auch, wenn ein geschlechtsunabhängiger Oberbegriff (z. B. "Heimleitung", "Pflegekraft", "Bürokraft") verwendet wird, wobei sich auch hier ein Hinweis darauf empfiehlt, dass alle drei Geschlechter angesprochen sind (m/w/d). Allein eine geschlechtsneutrale Überschrift der Stellenanzeige ist aber nicht ausreichend. Die gesetzlichen Anforderungen sind nur dann erfüllt, wenn nicht nur der Blickfang der Ausschreibung, sondern auch das "Kleingedruckte" alle drei Geschlechter gleichermaßen anspricht. Wenn im Anzeigentext trotz geschlechtsneutraler Überschrift z. B. nur männliche Bewerber angesprochen werden, wäre dies ein Verstoß gegen das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.
6.3 Gibt es Ausnahmen vom Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung?

Ausnahmsweise darf eine Ausschreibung geschlechtsbezogen sein, wenn ein bestimmtes Geschlecht eine "wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung" für die Tätigkeit ist.[2]

Beispiel: Eine Ausschreibung für die Stelle einer Erzieherin in einem Mädcheninternat, wo ein nicht unerheblicher Teil der Arbeitszeit mit Nachtdienst (25 %) belegt war, bei dem auch die Schlafräume, Waschräume und Toiletten der Internatsschülerinnen betreten werden mussten.[3]
6.4 Was sind die Folgen einer fehlerhaften (z. B. geschlechtsbezogenen) Stellenanzeige für den Arbeitgeber?

Ein Verstoß gegen das AGG durch die Stellenausschreibung hat keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Es ist jedoch einhellig anerkannt, dass der Verstoß eine Beweislastumkehr auslöst. Gegen ein Benachteiligungsverbot verstoßende Stellenanzeigen sind für sich allein ein hinreichendes Indiz dafür, dass ein Bewerber, der ein in der Anzeige genanntes Merkmal nicht aufweist, aus diesem Grund nicht eingestellt wurde. Bei geschlechtsspezifischer Ausschreibung wird also eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet.

Dann obliegt es dem Arbeitgeber, im Licht der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzulegen, dass sich die geltend gemachte Anforderung tatsächlich als notwendig erweist. Gelingt dies nicht, schuldet er dem benachteiligten Bewerber eine Entschädigung.
6.5 Was ist bei Stellenausschreibungen hinsichtlich des geschützten Merkmals "Alter" zu beachten?

Die in Stellenausschreibungen immer noch anzutreffenden Altersvorstellungen in konkreter (z. B.: "Sie sind zwischen 30 und 40 Jahre alt") oder abstrakter Form (z. B.: "junge/r Verkäufer/in") sind sehr problematisch. Sie sind durch das AGG nicht per se verboten, lösen aber eine Beweislastumkehr und die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters aus, vgl. § 22 AGG.[4] Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass das Lebensalter des abgelehnten Bewerbers bei der Einstellungsentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hat. Das ist in der Praxis häufig nicht einfach.

Beispiel: Bietet der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine "zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team", wird eine Benachteiligung eines nicht eingestellten älteren (im konkreten Fall 61-jährigen) Bewerbers wegen des Alters vermutet.[5]
6.6 Was sind sog. AGG-Hopper?

Das sind Personen, die sich auf einen unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschriebenen Arbeitsplatz nur mit dem Zweck bewerben, hierdurch eine Entschädigung zu erhalten.[6]

Nach früher h. M. verlangte die Anerkennung als Bewerber, dass sich der Betreffende subjektiv ernsthaft auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat. Die Frage, ob es der Bewerber in Wirklichkeit nur auf eine Entschädigung abgesehen hat, löst das BAG nunmehr über die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Einem Anspruch eines sog. AGG-Hopper kann also (nur) der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen.[7]
6.7 Sind Diskriminierungen nach dem AGG beim Einsatz von Algorithmen im Bewerbungsverfahren möglich?
Aufgrund einer fehlerhaften Datenbasis oder falscher Programmierung können Algorithmen zu einer mittelbaren Benachteiligung von Bewerbern führen, zum Beispiel wegen einer Behinderung, ihrer ethnischen Herkunft oder ihr...

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