(1) Die Scheidungssache und die Folgesachen gelten als ein Verfahren.
(2) Sind in § 137 Abs. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit genannte Kindschaftssachen Folgesachen, erhöht sich der Verfahrenswert nach § 43 für jede Kindschaftssache um 20 Prozent, höchstens um jeweils 3.000 Euro; eine Kindschaftssache ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft. Die Werte der übrigen Folgesachen werden hinzugerechnet. § 33 Abs. 1 Satz 2 ist nicht anzuwenden.
(3) Ist der Betrag, um den sich der Verfahrenswert der Ehesache erhöht (Absatz 2), nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Betrag berücksichtigen.
a) Überblick
Ein Verfahren, eine Angelegenheit
Das gesamte Scheidungsverbundverfahren, also Ehesache und Folgesachen nach § 137 Abs. 2 FamFG, gilt als ein Verfahren (§ 44 Abs. 1 FamGKG). Für die Anwaltsvergütung gilt entsprechendes. Nach § 16 Nr. 4 RVG sind Scheidungs- und Folgesachen dieselbe Angelegenheit.
Werte werden zusammengerechnet
Die Werte von Ehesache und Folgesachen sind zusammenzurechnen (§ 44 Abs. 2 FamGKG). Das Additionsverbot des § 33 Abs. 1 S. 2 FamGKG gilt nicht (§ 44 Abs. 2 S. 3 FamGKG). Hier werden also auch vermögensrechtliche Ansprüche mit einem nicht vermögensrechtlichen Anspruch, aus dem sie hervorgegangen sind, zusammengerechnet.
b) Kindschaftssachen
aa) Bewertung
20 % der Ehesache
Wird im Scheidungsverbund auch die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem Kind des anderen Ehegatten anhängig (§ 137 Abs. 3 FamFG) gemacht, so gilt nicht der Regelwert des § 45 FamGKG; vielmehr "erhöht" sich der Wert der Ehesache um 20 % (§ 44 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. FamGKG). Entgegen der gesetzlichen Formulierung wird aber nicht die Kindschaftssache im Rahmen der Ehesache mit bewertet. Vielmehr soll ausweislich der Begründung des Gesetzgebers für die Kindschaftssache ein zusätzlicher Wert festgesetzt werden, der sich prozentual aus dem Wert der Ehesache ableitet.
Höchstwert 3.000 EUR
Der Wert einer Kindschaftsfolgesache darf allerdings höchstens 3.000,00 EUR betragen.
Mehrere Kinder sind ein Gegenstand
Kindschaftssachen, die mehrere Kinder betreffen, gelten als ein Verfahren (§ 44 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. FamGKG). Sie führen also nicht zu einer Wertaddition.
Mehrere Kindschaftssachen sind zu addieren
Dagegen sind die Werte mehrerer Kindschaftssachen (z.B. Umgangsrecht und elterliche Sorge) gesondert zu bewerten und zusammenzurechnen. Werden also elterliche Sorge und Umgangsrecht als Folgesache geltend gemacht, so ist jeweils ein Wert von 20 % des Wertes der Ehesache anzusetzen.
Soweit der sich prozentual errechnete Betrag oder der Höchstbetrag des § 44 Abs. 2 FamGKG unbillig ist, kann das Gericht nach § 44 Abs. 3 FamGKG auch einen höheren oder niedrigeren Wert festsetzen.
bb) Mehrwertvergleich über Kindschaftssache
Für Mehrwertvergleiche gilt Regelwert
Die Regelung des § 44 Abs. 2 FamGKG gilt nur dann, wenn eine der genannten Kindschaftssachen Folgesache i.S.d. § 137 Abs. 3 FamFG geworden ist. Erforderlich ist also eine Anhängigkeit der Kindschaftssache. Das bloße Mitvergleichen reicht nicht aus.
Beispiel
Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 6.000,00 EUR und der des Versorgungsausgleichs 1.200,00 EUR. Die Eheleute schließen einen Vergleich über das nicht anhängige Umgangsrecht, der nach § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligt wird.
Der Wert für den Vergleich über das Umgangsrecht richtet sich jetzt nicht nach § 44 Abs. 2 FamGKG (20 % aus 6.000,00 EUR = 1.200,00 EUR), sondern nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG, so dass vom Regelwert i.H.v. 3.000,00 EUR auszugehen ist.
Vergleich über nicht anhängige Kindschaftssache
Wird im Scheidungsverbundverfahren ein Folgenvergleich über Kindschaftssachen geschlossen, ohne dass diese als Folgesache anhängig waren, so ist vom Regelwert gem. § 45 Abs. 1 FamGKG auszugehen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.8.2015 – 16 WF 161/15, AGS 2015, 456 = NJW-Spezial 2015, 669 = NZFam 2015, 1021
cc) Abtrennung einer Kindschaftssache
Im Falle der Abtrennung einer Kindschaftssache nach § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG (§ 137 Abs. 3, Abs. 5 S. 2 FamFG) kommt es ausnahmsweise zur Auflösung des Verbunds. Die abgetrennte Kindschaftssache ist dann entgegen § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG nicht mehr Folgesache, sondern wird zu einer selbstständigen Familiensache. Das hat auch kostenrechtliche Konsequenzen. Der gebührenrechtliche Verbund § 44 Abs. 1 FamGKG; § 16 Nr. 4 RVG) wird aufgelöst.
Kommt es zu einer solchen Abtrennung, so dass das abgetrennte Verfahren zur selbstständigen Familiensache wird, ändert sich damit auch die Wertvorschrift. Es gilt nicht mehr § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG (20 % der Ehesache), sondern es gilt jetzt der (Regel-)Wert des § 45 Abs. 1 FamGKG i.H.v. 3.000,00 EUR.
Verfahrenswert bei Abtrennung einer Kindschaftssache
Nach der Abtrennung wird eine Scheidungsfolgesache (hier: das Sorgerechtsverfahren) gemäß § 623 Abs. 2 S. 4 ZPO als se...