1. Umfang des Rechts auf Vorschuss
Vorschuss in Höhe der voraussichtlichen Vergütung
Für den Wahlanwalt ist das Recht auf Vorschuss in § 9 RVG geregelt. Vor Eintritt der Fälligkeit kann er einen angemessenen Vorschuss vom Mandanten verlangen. Als angemessen gilt ein Vorschuss in Höhe der bereits angefallenen und voraussichtlich noch anfallenden Gebühren und Auslagen. Insoweit kommt es letztlich immer auf den Einzelfall an, für den zu prüfen ist, welche Gebühren und Auslagen voraussichtlich anfallen werden.
So ist bei einer außergerichtlichen Tätigkeit grds. ein Vorschuss in Höhe einer angemessenen Geschäftsgebühr nebst Auslagen zulässig.
Im gerichtlichen Verfahren kann ein Vorschuss auf jeden Fall in Höhe der Verfahrensgebühr verlangt werden. Sofern das Verfahren einen Termin vorsieht oder eine fiktive Terminsgebühr möglich ist, kann auch sogleich die Terminsgebühr mit angefordert werden. Der Anwalt muss nicht abwarten, bis ein Termin anberaumt ist.
Vorschuss auch auf Einigungsgebühr möglich
Auch eine Einigungsgebühr kann ggfs. schon von Vornherein als Vorschuss angefordert werden, wenn zu erwarten ist, dass es zu einer Einigung kommt. Hiervon könnte man durchaus in arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozessen ausgehen, da solche Verfahren überwiegend verglichen werden.
Vorschuss auch für Zusätzliche Gebühren möglich
In Straf- und Bußgeldsachen kann auch ein Vorschuss auf die Zusätzliche Gebühr nach Nrn. 4141 VV oder 5115 VV erhoben werden.
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei der Abrechnung eines Vorschusses nach § 9 RVG kann der Rechtsanwalt die "Hauptverhandlungsvermeidungsgebühr" nach Nr. 5115 VV mit einbeziehen.
AG Darmstadt, Urt. v. 27.2.2005 – 305 C 421/04, AGS 2006, 212 = zfs 2006, 169 = RVGreport 2007, 60 u. 220
Vorschuss kann mehrfach angefordert werden
Das Recht auf Vorschuss ist auch nicht einmalig. Ein Anwalt kann auch mehrfach Vorschüsse anfordern. Hat er z.B. zunächst die Verfahrensgebühr als Vorschuss verlangt, kann er dann später, etwa bei Anberaumung eines Termins, einen Vorschuss auf die Terminsgebühr verlangen etc.
2. Höhe des Vorschusses bei Rahmengebühren
Mittelgebühr grds. angemessen
Soweit Rahmengebühren geschuldet sind, ist es grds. angemessen, einen Vorschuss in Höhe der Mittelgebühr zu verlangen. Dies gilt insbesondere in Bußgeldsachen. Die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG spielen hier unmittelbar keine Rolle, da es bei einem Vorschuss nicht darauf ankommt, wie umfangreich und schwierig die Sache bisher war, sondern darauf, wie umfangreich und schwierig die Sache bis zu ihrem Abschluss noch werden kann. Das lässt sich aber in der Regel nicht voraussehen.
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei der Vorschussanforderung des Rechtsanwalts ist grundsätzlich von dem Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr auszugehen. Dies muss auch für ein Bußgeldverfahren gelten, denn Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit sind die üblichen Bußgeldverfahren. Es kann von vornherein nicht abgeschätzt werden, ob hier eine deutlich unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt.
AG Stuttgart, Urt. v. 31.10.2007 – 14 C 5483/07, AGS 2008, 78 = zfs 2008, 106 = SVR 2008, 224 = RVGreport 2008, 21 = NJW-Spezial 2008, 61
1. In Bußgeldangelegenheiten kann auch der im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragte Rechtsanwalt bereits (auch) einen Vorschuss für das gerichtliche Verfahren verlangen.
2. Bei der Anforderung eines Gebührenvorschusses durch den beauftragten Rechtsanwalt ist auch in einer Verkehrsordnungswidrigkeitensache der Ansatz einer Mittelgebühr grundsätzlich angemessen.
AG Chemnitz, Beschl. v. 1.4.2005 – 21 C 750/2005, AG Chemnitz AGS 2005, 431 u. 2006, 213
Angemessener Vorschuss in Sozialsachen
Im Rahmen der Vorschussanforderung ist es grundsätzlich nicht unangemessen, die Mittelgebühren als Vorschuss anzufordern.
AG Saarlouis, Urt. v. 4.2.2014 – 28 C 1698/13, AGS 2014, 216 = NJW-Spezial 2014, 348
Unzutreffend ist daher die Gegenauffassung, die auch bei einem Vorschuss in Bußgeldsachen nur eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr zubilligt.
Für die Bemessung eines angemessenen Vorschusses i.S.d. § 9 RVG in einem Fall mit unterdurchschnittlicher Bedeutung ist deshalb nicht von einer Grundgebühr von 100,00 EUR (zzgl. Umsatzsteuer) auszugehen, sondern von einer Grundgebühr von 75,00 EUR (zzgl. Umsatzsteuer).
AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 18.10.2018 – 8 C 186/18, AGS 2019, 318 = RVGreport 2019, 173 = RVGprof. 2019, 96
Bei Geschäftsgebühr reicht Schwellengebühr
Bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verhält es sich nach der überwiegenden Rspr. dagegen anders. Hier soll ein erster Vorschuss grds. auf die sog. Schwellengebühr begrenzt sein.
Dem Rechtsanwalt steht grundsätzlich ein Recht auf Vorschusszahlung in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zu.
AG München, Urt. v. 31.5.2006 – 232 C 9919/06, AGS 2007, 234
Eine über die Mittelgebühr von 1,3 hinausgehende Geschäftsgebühr kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig, also überdurchschnittlich, gewesen ist oder voraussichtlich sein wird.
AG Düsseldorf, Urt. v. 7.3.2013 – 32 C 11...