Leitsatz
Wird der Verteidiger sowohl im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch im nachfolgenden erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren tätig, so erhält er für jeden Verfahrensabschnitt eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.
AG Gronau, Urt. v. 13.3.2009 – 12 C 7/09
I. Der Fall
Der Anwalt hatte den Betroffenen im Bußgeldverfahren zunächst vor der Verwaltungsbehörde verteidigt. Nach Erlass des Bußgeldbescheides wurde Einspruch eingelegt und die Sache an das AG abgegeben. Dort wurde der Betroffene auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Anschließend beantragte der Verteidiger die Festsetzung der dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen, darunter auch zwei Postentgeltpauschalen, nämlich eine für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und eine für das anschließende gerichtliche Verfahren. Der Urkundsbeamte hat lediglich eine Postentgeltpauschale festgesetzt. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Rechtslage strittig
Die Frage, ob im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und im nachfolgenden erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren insgesamt nur eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 anfällt oder ob für jedes Verfahrensstadium eine gesonderte Postentgeltpauschale erhoben werden darf, ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren eine einzige Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne seien, so dass folglich auch nur eine Postentgeltpauschale anfallen könne.
Zwei Angelegenheiten
Das AG Gronau ist dagegen der zutreffenden Auffassung, dass es sich bei dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem nachfolgenden erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren um zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten handelt. Aus der Struktur der Gebühren in Teil 5 VV folgt, dass das Gesetz das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das anschließende Verfahren vor dem AG als gesonderte Abschnitte betrachtet, was sich insbesondere daraus ergibt, dass für jedes Verfahren eine eigene selbstständige Verfahrensgebühr vorgesehen ist. Gründe, weshalb in Bußgeldsachen außergerichtliche Tätigkeit und gerichtliche Tätigkeit eine Angelegenheit sein sollen, während in allen übrigen anderen Angelegenheiten die außergerichtliche und die gerichtliche Vertretung zwei verschiedene Angelegenheiten sind, ist nicht ersichtlich.
III. Praxistipp
Rechtsprechungsübersicht
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Für eine Angelegenheit und damit eine Postentgeltpauschale: |
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AG München DAR 2008, 612 = AGS 2008, 599, |
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LG Magdeburg JurBüro 2008, 85, |
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AG Koblenz AGS 2007, 141 = RVG-Letter 2007, 11 = NStZ-RR 2007, 96, |
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LG Hamburg AGS 2006, 503 = JurBüro 2006, 644, |
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LG Potsdam, Beschl. v. 16.12.2008 – 24 Qs 113/08, |
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LG Köln Rpfleger 2009, 273. |
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Für zwei Angelegenheiten und damit zwei Postentgeltpauschalen: |
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AG Neuss AGS 2008, 598 (zwei Entscheidungen), |
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AG Friedberg, AGS 2009, NJW-Spezial 2009, 348 u. 560, |
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AG Nauen AGS 2007, 405 = VRR 2007, 283; zfs 2007, 407, |
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AG Gelnhausen AGS 2007, 453 = VRR 2007, 283, |
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AG Detmold zfs 2007, 405, |
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AG Hamburg Sankt Georg JurBüro 2006, 359 = AGS 2006, 423, |
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AG Düsseldorf AGS 2006, 504, |
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AG Solingen, Beschl. v. 6. 10. 2008 – 12 C 479/08, Der Verkehrsanwalt 2008, 174. |