Anrechnung der Geschäftsgebühr auf isolierte Kostenerstattungsklage?
Es kommt nicht selten vor, dass der Gegner außergerichtlich die Hauptforderung begleicht, sich aber dann weigert, die vorgerichtlich entstandenen verzugsbedingten Kosten zu übernehmen, sodass eine isolierte Klage auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr erhoben werden muss. Es stellt sich dann die Frage, ob und inwieweit hier eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV stattfindet.
Beispiel
Der Anwalt wird beauftragt, eine Forderung i.H.v. 5.000,00 EUR gegen den Gegner geltend zu machen. Da sich der Gegner nach Auffassung des Mandanten bereits in Verzug befindet, sollen auch die vorgerichtlichen Kosten als Verzugsschaden sogleich mit eingefordert werden. Der Anwalt schreibt daraufhin den Schuldner an und fordert ihn auf, 5.000,00 EUR zu zahlen sowie die vorgerichtlich entstandenen verzugsbedingten Kosten i.H.v.
1. |
1,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV |
|
393,90 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
413,90 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
78,64 EUR |
|
Gesamt |
|
492,54 EUR |
Der Schuldner zahlt daraufhin die 5.000,00 EUR, weigert sich aber, die vorgerichtlichen Kosten zu übernehmen. Daraufhin schreibt der Anwalt den Schuldner nochmals an und fordert ihn nunmehr auf, die vorgerichtlichen Kosten noch zu zahlen.
Keine weitere Geschäftsgebühr für Anmahnen der Geschäftsgebühr
Für dieses weitere außergerichtliche Aufforderungsschreiben kann der Anwalt keine weitere Vergütung berechnen. Das Einfordern des Kostenerstattungsanspruchs zählt noch mit zur Angelegenheit und löst keine neue Vergütung aus. Es wäre also unzulässig, jetzt für die vorgenannte Geschäftsgebühr wiederum eine verzugsbedingte Geschäftsgebühr abzurechnen.
Die außergerichtliche Durchsetzung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs gehört mit zur Angelegenheit und löst keine gesonderte Vergütung aus.
AG Gütersloh, Urt. v. 9.4.2018 – 10 C 53/18
Fortsetzung des Beispiels
Da der Gläubiger nicht zahlt, wird der Anwalt nunmehr beauftragt, wegen der 492,54 EUR Klage zu erheben, was dann auch geschieht. Über die Klage wird verhandelt und durch Urteil entschieden.
Kostenerstattungsklage ist neue Angelegenheit
Eindeutig ist, dass mit dem gerichtlichen Verfahren jetzt eine neue Angelegenheit vorliegt, sodass der Anwalt hieraus seine Vergütung nach den Nrn. 3100 ff. VV erhält. Der Gegenstandswert beläuft sich auf den Wert der Kosten, die nunmehr selbst Hauptforderung sind.
Keine Anrechnung
Die Frage, die sich jetzt stellt, ist die, ob die vorgerichtliche Geschäftsgebühr aus 5.000,00 EUR aus dem Wert der nunmehr eingeklagten Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 u. 5 VV hälftig anzurechnen ist. Das ist zu verneinen. Angerechnet wird nur, wenn das gerichtliche Verfahren denselben Gegenstand betrifft wie die vorgerichtliche Tätigkeit.
Vorbem. 3 VV
(4) Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. …
Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit war aber die damalige Hauptforderung von 5.000,00 EUR. Diese Hauptforderung ist nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.
Kosten werden zur Hauptsache
Bei den Kosten handelte es sich außergerichtlich nur um Nebenforderungen. Werden diese dann im gerichtlichen Verfahren zur Hauptforderung, findet eine Anrechnung nicht statt.
Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr bei der isolierten Klage auf Ersatz der Anwaltskosten
Wird nach Erfüllung der Hauptforderung aufgrund der außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts nur der materiell-rechtliche Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten (Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer) gerichtlich geltend gemacht, so wird die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.
LG Saarbrücken, Urt. v. 15.2.2007 – 2 S 87/06, AGS 2007, 291
"… Die Anrechnungsvorschrift ist dann von Bedeutung, wenn der Rechtsanwalt, der zunächst den Auftrag hat, den Schuldner zur freiwilligen Leistung zu bewegen, nach dem Scheitern seiner Bemühungen den Auftrag erhält, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Um einen solchen Sachverhalt handelte es sich vorliegend jedoch nicht. Vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der weitere Auftrag des Klägers an seine Prozessbevollmächtigten, die für die außergerichtliche Schadensregulierung geltend gemachten Anwaltskosten beizutreiben. Eine anrechenbare Geschäftsgebühr ist insoweit nicht entstanden. …"
Der Anwalt kann daher im gerichtlichen Verfahren anrechnungsfrei wie folgt abrechnen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
58,50 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
54,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
132,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
25,18 EUR |
|
Gesamt |
|
157,68 EUR |
AGKompakt 2/2019, S. 22 - 23