Leitsatz
Werden mehrere Verfahren zeitgleich verhandelt, erhält ein Rechtsanwalt, der in jedem der Verfahren vertritt und vertretungsbereit anwesend ist, regelmäßig die Terminsgebühr in jeder der Sachen nach dem für sie jeweils maßgebenden Gegenstandswert.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 9. 7. 2009 – 18 E 373/09
I. Der Fall
Im Termin zur mündlichen Verhandlung in sechs zeitgleich terminierten Sachen war bei Aufruf der Sachen der den Klägern der Einzelverfahren beigeordnete Rechtsanwalt vertretungsbereit anwesend. Der Anwalt beantragte daraufhin im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG die Festsetzung der Vergütung aus den Einzelstreitwerten von 5.000,00 EUR, und zwar je eine Verfahrens- und Terminsgebühr, Pauschale Nr. 7002 VV nebst Umsatzsteuer Nr. 7008 VV. Der Urkundsbeamte setzte die Vergütung mit der Maßgabe fest, dass die Terminsgebühr nur anteilig aus dem zusammengerechneten Wert der verhandelten Verfahren berechnet wurde.
II. Die Entscheidung
Das OVG hat auf die Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts den Vergütungsfestsetzungsbeschluss und den diesen bestätigenden Beschluss des VG aufgehoben und die Vergütung mit der Maßgabe festgesetzt, dass die Terminsgebühr aus dem Einzelstreitwert von 5.000,00 EUR zu berechnen ist.
III. Praxishinweis
Gem. der Vorbem. 3 Abs. 3, 1. Var. VV entsteht die Terminsgebühr „für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin“. Mit ihr soll die sich von dem allgemeinen Geschäftsbetrieb abhebende besondere Tätigkeit als Rechtsanwalt bei derartigen Terminen abgegolten werden.
Termin beginnt mit Aufruf der Sache
Der Termin beginnt mit dem Aufruf der Sache und der Feststellung der anwesenden Beteiligten. Ist der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend, ist die Terminsgebühr entstanden, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf. Es kommt nicht mehr darauf an, was in dem Termin geschieht, insbesondere, ob Anträge gestellt werden oder die Sache erörtert wird.
Terminsgebühren entstehen gesondert
Werden mehrere zugleich terminierte selbstständige Sachen gemeinsam aufgerufen, erhält der Rechtsanwalt, der in den aufgerufenen Sachen vertritt und vertretungsbereit anwesend ist, die Terminsgebühr in jeder dieser Sachen nach dem für sie einzeln maßgebenden Gegenstandswert. Der nach Aufruf der Sachen verkündete Beschluss des Gerichts, dass über beide Verfahren einheitlich verhandelt werden solle, führt nicht dazu, dass nur eine einzige Terminsgebühr nach der Summe der Gegenstandswerte beider Verfahren vergütet wird (so auch OVG Hamburg KostRsp. RVG-VV Vorbem. 3 Nr. 75 mit Anm. Onderka; VGH München BayVBl 2008, 30 = NVwZ-RR 2008, 504).
Abzulehnen ist daher die Auffassung des FG Hannover (EFG 2008, 242), wonach die Terminsgebühr bei auf denselben Zeitpunkt terminierten und verhandelten Verfahren immer nur einmal nach dem Gesamtstreitwert entsteht. Nach dessen Auffassung soll dies aus Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV folgen. Nach dieser Vorschrift werden in die Berechnung der Terminsgebühr auch Ansprüche einbezogen, die in dem verhandelten bzw. erörterten Verfahren nicht rechtshängig sind. Nicht rechtshängige Ansprüche sind in „diesem“ Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche, d.h. auch gerichtliche Verfahren, die Gegenstand eines anderen Verfahrens sind. Die Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV betrifft damit einen völlig anderen Sachverhalt. Es werden keine „Verhandlungen zur Einigung über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt, sondern es wird nach zeitgleichem Aufruf gemeinsam in unterschiedlichen Verfahren verhandelt.