Leitsatz
1. Der Anwalt ist im Rahmen einer Geschäftsreise nicht verpflichtet, den kürzesten Weg zu nehmen. Er ist berechtigt, den üblichen und zweckmäßigsten Weg zu wählen, auch wenn dieser länger ist.
2. Angefangene Kilometer sind auf volle Kilometer aufzurunden.
LG Rostock, Beschl. v. 30.7.2009 – 18 Qs 78/09
I. Der Fall
Der Anwalt war als Pflichtverteidiger beigeordnet und hatte nach Abschluss des Verfahrens seine Kosten, darunter auch seine Reisekosten, zur Festsetzung angemeldet. Das Gericht hat die angemeldeten Reisekosten teilweise mit der Begründung abgesetzt, der Verteidiger hätte nicht die kürzeste Entfernung gewählt. Die dadurch entstandenen Mehrkosten seien nicht erstattungsfähig. Hiergegen legte der Anwalt Erinnerung ein.
II. Die Entscheidung
Grundsätzliche Verpflichtung zum kürzesten Weg
Das Gericht hat der Erinnerung abgeholfen. Ein Anwalt sei zwar grundsätzlich verpflichtet, den kürzesten Weg zu nehmen, da er die entstehenden Kosten gering zu halten habe. Diese Pflicht, sich kostensparend zu verhalten, habe jedoch dort ihre Grenze, wo vernünftige Gründe dafür sprächen, eine längere Wegstrecke zu wählen.
Längere Wegstrecke kann angemessen sein
Ein solcher Fall hatte hier vorgelegen. Ein Anwalt ist nicht verpflichtet, eine kürzere Wegstrecke zu fahren, für die er einen längeren Zeitraum benötigt. Er ist vielmehr berechtigt, auch eine längere Wegstrecke zu fahren, wenn damit eine nachhaltige Zeitersparnis verbunden ist. Das wiederum gilt insbesondere dann, wenn die kürzere Wegstrecke über Nebenstrecken führt, auf denen man erfahrungsgemäß nicht so schnell vorankommt. Gleiches gilt, wenn die kürzere Wegstrecke erfahrungsgemäß staugefährdet ist und dort zu bestimmten Zeiten mit Verkehrsstaus zu rechnen ist.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung des LG Rostock ist zutreffend und entspricht der ganz einhelligen Auffassung.
Maßgebend ist die tatsächlich gefahrene Strecke
Vergütet werden grundsätzlich sämtliche gefahrenen Kilometer, also sowohl der Hin- als auch der Rückweg. Maßgebend ist die tatsächliche Fahrtstrecke und nicht die fiktive Entfernung von Ortsmitte zu Ortsmitte (OLG Celle NdsRpfl 1967, 63). Grundsätzlich muss der Anwalt den kürzesten Weg nehmen. Zweckmäßige Umwege, etwa bei Benutzung einer Autobahn zur Zeitersparnis, sind jedoch zulässig (OLG Hamm JurBüro 1981, 1681; VG Würzburg JurBüro 2000, 77; KG AGS 2004, 12 = KGR 2003, 360 = BRAGOreport 2300, 139).
Erst recht gilt dies, wenn die kürzere Wegstrecke zwar einerseits geringere Fahrtkosten auslösen würde, dafür aber andererseits sonstige Kosten verursachen würde, die die Ersparnis bei den Fahrtkosten wieder „auffressen“ würden.
Beispiele
Bei Benutzung der kürzeren Wegstrecke müsste eine Fähre in Anspruch genommen werden, die der Anwalt zusätzlich zu bezahlen hätte. Diese Kosten könnte er nach Nr. 7006 VV auf den Mandanten umlegen, während bei der längeren Wegstrecke eine (kostenlose) Brücke benutzt werden könnte.
Bei Benutzung der kürzeren Wegstrecke würde sich der Zeitaufwand derart erhöhen, dass eine höhere Abwesenheitspauschale nach Nr. 7005 VV anfallen würde (KG AGS 2004, 12 = KGR 2003, 360 = BRAGOreport 2300, 139).
Angefangene Kilometer sind auf volle Kilometer aufzurunden
Da das RVG nur eine Abrechnung nach vollen Kilometern vorsieht, ist der Anwalt nicht verpflichtet, metergenau abzurechnen. Vielmehr sind angefangene Kilometer auf volle Kilometer aufzurunden.