Leitsatz
Auch dann, wenn aufgrund eines Wohnungswechsels des Schuldners ein zweiter Vollstreckungsauftrag bei einem weiteren Gerichtsvollzieher gestellt wird, ist nur eine Vollstreckungsangelegenheit nach § 18 Nr. 3 RVG a.F. = § 18 Nr. 1 RVG n.F. gegeben. Der Anwalt des Gläubigers erhält seine Gebühren in diesem Fall insgesamt nur einmal.
AG Fürth, Beschl. v. 16.4.2008 – 1 M 1897/08
I. Der Fall
Der Gläubiger hatte durch seinen Anwalt gegen den Schuldner unter der ihm bekannten Adresse vollstrecken lassen. Dabei stellte sich heraus, dass der Schuldner zwischenzeitlich verzogen war. Der Gläubiger ließ daraufhin unter der neuen Anschrift erneut vollstrecken. Dabei meldete er entsprechend der Abrechnung seines Anwalts für jede Vollstreckung eine gesonderte Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV an. Der Gerichtsvollzieher war dagegen der Auffassung, der Anwalt könne nur eine Verfahrensgebühr abrechnen und weigerte sich, auch wegen der zweiten Gebühr zu vollstrecken. Hiergegen legte der Gläubiger Erinnerung ein.
II. Die Entscheidung
Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Der Gerichtsvollzieher habe zutreffend die Gebührenforderung für eine zweite Vollstreckung unberücksichtigt gelassen. Es lägen nicht mehrere Vollstreckungsmaßnahmen vor, weil es sich bei einem Vollstreckungsauftrag an einen zweiten Gerichtsvollzieher, der durch den Wohnungswechsel des Schuldners notwendig geworden sei, um dieselbe Einzelmaßnahme handele und hier ein innerer Zusammenhang bestehe. Dieselbe Vollstreckungsmaßnahme werde lediglich fortgesetzt, wenn auch anderenorts.
III. Praxistipp
In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Gebührenangelegenheit i.S.d. § 15 RVG (§ 18 Nr. 3 RVG a.F. = § 18 Nr. 1 RVG n.F.).
- Ist die Mobiliarvollstreckung gegen den Schuldner zunächst erfolglos, weil er unter seiner bisherigen Anschrift nicht angetroffen wurde, und wird die Vollstreckung daraufhin fortgesetzt, so ist zu differenzieren:
- Wird die Zwangsvollstreckung – wie hier – zeitnah unter der neuen Anschrift fortgesetzt, dann ist von einem einheitlichen Vollstreckungsauftrag auszugehen, so dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV nur einmal entsteht (KG JurBüro 1968, 43; OLG Koblenz Rpfleger 1977, 236; OLG Köln JurBüro 1983, 871; AG Forchheim DGVZ 1999, 93; LG Bamberg DGVZ 1999, 93; OLG München AnwBl 1982, 500 = OLGR München 1992 = JurBüro 1992, 326; OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 548; AnwK-RVG/Wolf, § 18 Rn 58).
- Eine Angelegenheit liegt auch dann noch vor, wenn zunächst am Geschäftssitz vollstreckt wird und anschließend am Wohnsitz des Schuldners oder umgekehrt (BGH AGS 2005, 63 = JurBüro 2005, 139 = RVGreport 2005, 34 = WM 2005, 183 = DGVZ 2005, 6 = Rpfleger 2005, 165 = JurBüro 2005, 139 = BGHReport 2005, 400 = InVo 2005, 163 = MDR 2005, 475 = ZVI 2005, 225 = NJW-RR 2005, 706 = FamRZ 2005, 203; AG Schleiden DGVZ 2005, 142).
- Dagegen sollen mehrere Angelegenheiten vorliegen, wenn der Gläubiger den Auftrag zur Zwangsvollstreckung sowohl im Geschäftslokal als auch in der an einem anderen Ort gelegenen Wohnung zugleich erteilt (LG Frankenthal JurBüro 1979, 1325).
- Wird die Vollstreckung mangels Kenntnis des wahren Aufenthaltsorts zunächst eingestellt und zu einem späteren Zeitpunkt nach Bekanntwerden der neuen Anschrift wieder aufgenommen, liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor.
- Ebenso liegen zwei Angelegenheiten vor, wenn nach einer teilweise erfolgreichen Vollstreckung wegen einer Teilforderung alsbald ein weiterer Vollstreckungsauftrag wegen der Restforderung erteilt wird (AG Waldbröl DGVZ 1998, 142).