Leitsatz
1. Wird ein Urteil vom Rechtsmittelgericht aufgehoben und das Verfahren an das vorherige Gericht zurückverwiesen, scheidet eine Anrechnung der Verfahrensgebühr aus, wenn seit dem Urteil im vorangegangenen Verfahren und der Zurückverweisung mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
2. Das gilt auch dann, wenn sich die Vergütung im Verfahren vor Zurückverweisung noch nach der BRAGO berechnet.
OLG Köln, Beschl. v. 4.5.2009 – 17 W 98/09
I. Der Fall
Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die daraufhin eingelegte Berufung hatte das OLG im Oktober 2004 zurückgewiesen. Auf die Revision hin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache im Oktober 2007 an das OLG zurück. Nach Abschluss des Verfahrens meldete der Beklagte für das Verfahren nach Zurückverweisung eine 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV) und eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3202 VV) zur Festsetzung an.
Der Rechtspfleger setzte die Verfahrensgebühr ab. Er war der Ansicht, gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV sei die für das „erste Berufungsverfahren“ entstandene BRAGO-Prozessgebühr auf die nach Zurückverweisung entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen. Es sei nicht einsehbar, warum der Rechtsanwalt für dieselbe Tätigkeit nach Zurückverweisung nochmals honoriert werden sollte.
II. Die Entscheidung
Das OLG hat den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache an den Rechtspfleger zurückverwiesen. Die Auffassung des Rechtspflegers stehe alleine und werde weder von der Rspr. noch der Lit. geteilt, sondern verstoße gegen das Gesetz (OLG München AGS 2006, 369 = AnwBl 2006, 588 mit Anm. Schneider = OLGR 2006, 681; Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 15 RVG Rn 97; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 103, § 21 Rn 8; AnwK-RVG/N. Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn 270 ff., § 21 Rn 8; Vorbem. 3 Rn 279 f.; N. Schneider, MDR 2003, 727; AGS 2006, 369; Hansens, AGS 2004, 103 f; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 Rn 98; Bischof/Jungbauer, RVG, 3. Aufl., § 21 Rn 35; § 15 Rn 93 ff.). Es bestehe in Rspr. u. Lit. uneingeschränkte Einigkeit dahingehend, dass § 15 Abs. 5 S. 2 RVG auch bei einer Zurückverweisung gem. § 21 RVG eingreife. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG sei lex specialis zu § 21 RVG. Danach komme es auf § 21 Abs. 1 RVG gar nicht erst an, wenn bereits eine neue Angelegenheit nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG beginne. Denn § 21 Abs. 1 RVG setze voraus, dass nach allgemeinen Vorschriften das Verfahren nach Zurückverweisung noch dieselbe Sache wäre. Daran fehle es aber in den Fällen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG. Die Anrechnungsbestimmung der Vorbem. 3 Abs. 6 VV solle zwar verhindern, dass der Rechtsanwalt für seine weitere Tätigkeit nach Zurückverweisung eine zusätzliche Verfahrensgebühr erhalte. Etwas anderes gelte aber dann, wenn der frühere Auftrag bei Beginn der Entgegennahme der Informationen für das weitere Tätigwerden bereits mehr als zwei Kalenderjahre zurückliege. Dann wäre es unbillig, den Rechtsanwalt auf die schon seinerzeit verdienten Gebühren zu verweisen, da er sich nach dem Ablauf einer solchen Zeitspanne aller Erfahrung nach neu wird einarbeiten müssen.
Der Anrechnungsausschluss gilt auch, wenn sich die vorherige Vergütung noch nach der BRAGO berechnete
Dass vorliegend der Erstauftrag noch unter der Geltung der BRAGO erteilt wurde, ändert nach Auffassung des OLG Köln an dem vorstehenden Ergebnis nichts, da die entsprechende Regelung bereits in § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO enthalten war (so auch AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 Rn 270).
Die Auffassung des OLG Köln ist zutreffend. Ebenso hatte bereits das OLG Düsseldorf entschieden (AGS 2009, 212 = OLGR 2009, 455 = NJW-Spezial 2009, 220 = RVGreport 2009, 181).