Leitsatz
Mehrere Versuche der Vollziehung einer auf Herausgabe der Wohnungsschlüssel lautenden einstweiligen Verfügung stellen nur eine Vollziehungsmaßnahme i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG (§ 18 Nr. 4 RVG a.F.) dar, wenn sie in innerem Zusammenhang stehen.
KG, Beschl. v. 17.4.2009 – 1 W 418/08
I. Der Fall
Der Antragsteller hatte eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Wohnungsschlüsseln erwirkt. Zur Vollziehung dieser einstweiligen Verfügung hat er zwei Versuche unternommen. Erst beim zweiten Vollziehungsversuch konnte er die einstweilige Verfügung durchsetzen.
Für die beiden Vollziehungsversuche berechnete der Anwalt des Gläubigers jeweils eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV nebst Auslagen, die der Gerichtsvollzieher auch mit beitreiben wollte. Die hiergegen vom Schuldner erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Mehrere Vollziehungsversuche können eine Angelegenheit sein
Für die Vollziehung der auf Herausgabe von Wohnungsschlüsseln lautenden einstweiligen Verfügung durch die verschiedenen Vollstreckungsversuche ist die 0,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3309 VV nebst Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV nur einmal anzusetzen, da es sich nur um eine Angelegenheit nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG (§ 18 Nr. 4 RVG a.F.) handelt. Es liegt nur eine Vollziehungsmaßnahme nach §§ 936, 928, 883 ZPO vor. Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung erfolgt nach den Regeln der Zwangsvollstreckung (§ 928 ZPO), auch gebührenrechtlich gelten die gleichen Grundsätze wie für die Zwangsvollstreckung. Zur Vollstreckungsmaßnahme gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG (§ 18 Nr. 3 RVG a.F.) die in einem inneren Zusammenhang stehenden Vollstreckungshandlungen vom Beginn der Maßnahme bis zur Befriedigung des Gläubigers. Das sind all diejenigen Einzelmaßnahmen, „welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen“ (BGH NJW 2004, 1101). Gleichartige Maßnahmen zur Befriedigung wegen derselben Forderung stehen in innerem Zusammenhang, wenn sich die eine als Fortsetzung der anderen darstellt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. Rn 45). Auch bei mehreren Vollstreckungsversuchen kommt es auf den inneren Zusammenhang an (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. Rn 39; BGH MDR 2005, 475). Dieser Zusammenhang ist hier zu bejahen. Die einzelnen Gerichtsvollzieheraufträge hatten das gleiche Ziel. Der weitere Auftrag stellt sich lediglich als die inhaltsgleiche Wiederholung dar unter Auswechslung lediglich des vermuteten Orts, an dem die Schuldnerin den Schlüssel verwahrte. Den nunmehr angegebenen Ort hatte der Gerichtsvollzieher beim ersten Vollstreckungsversuch in Erfahrung gebracht.
III. Der Praxistipp
Vollziehungstätigkeiten werden nach den Gebühren der Zwangsvollstreckung abgerechnet
Die Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung ist keine Zwangsvollstreckung, läuft aber nach denselben Regeln ab. Daher ist die Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung in Vorbem. 3.3.3. Nr. 4 VV gesondert erwähnt. Zudem erklärt § 18 Abs. 2 Nr. 1 RVG die Vorschriften zum Umfang einer Vollstreckungsangelegenheit für die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrests für entsprechend anwendbar.
Im Übrigen ist anerkannt, dass in der Zwangsvollstreckung weitere Maßnahmen, die nur die Fortsetzung des ersten (erfolglosen) Vollstreckungsversuchs sind, eine Angelegenheit darstellen und die Verfahrensgebühr der Nr. 3309 VV nur einmal auslösen.
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Erster Vollstreckungsversuch durch Gerichtsvollzieher und erneuter Vollstreckungsauftrag unter neuer Anschrift (AG Münster DGVZ 2006, 31; LG Kassel DGVZ 1996, 11; AG Herborn DGVZ 1993, 118). |
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Erster Vollstreckungsversuch unter Privatanschrift des Schuldners und anschließende Vollstreckung unter Geschäftsadresse (BGH AGS 2005, 63 = JurBüro 2005, 139 = RVGreport 2005, 34). |