Dr. Julia Bettina Onderka
Einführung
Grundsätzlich Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren maßgeblich
Nach § 32 Abs. 1 RVG ist die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Regelfall auch Grundlage für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren, so dass es keiner selbstständigen Wertfestsetzung bedarf. In einigen Fällen greift § 32 Abs. 1 RVG jedoch nicht ein – insbesondere bei gebührenfreien Verfahren (z.B. Zwangsvollstreckung oder bestimmte Beschwerdeverfahren), wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten oder wenn sich die Gegenstände der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit nicht decken.
Ausnahmsweise selbstständige Wertfestsetzung erforderlich
In diesen Fällen ermöglicht § 33 Abs. 1 RVG eine selbstständige Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren. Dies setzt voraus, dass es sich um Gebühren für eine Anwaltstätigkeit in einem Gerichtsverfahren handelt, die sich entweder nicht nach dem Gerichtskostenstreitwert richten oder bei dem es an einem solchen Streitwert fehlt. Antragsberechtigt für die Festsetzung sind nach § 33 Abs. 1 RVG neben dem Anwalt auch der Auftraggeber und der erstattungspflichtige Gegner sowie bei Gewährung von Prozesskostenhilfe auch die Staatskasse.
I. Wann ist die Beschwerde statthaft?
Beschwerdegegenstand über 200,00 EUR oder Zulassung
Halten die Beteiligten die Wertfestsetzung für fehlerhaft, so steht ihnen die befristete Beschwerde nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG offen. Diese ist nur statthaft, wenn entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 S. 2 RVG). Dabei bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht nach der Differenz zwischen der erfolgten und der angestrebten Streitwertfestsetzung. Vielmehr sind die anwaltlichen Gebühren zuzüglich Umsatzsteuer nach dem festgesetzten sowie nach dem mit der Beschwerde erstrebten Wert zu berechnen. Entscheidend ist dann die Differenz der beiden Beträge.
Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Anwalt R will die Erhöhung auf 16.000,00 EUR erreichen.
Der Vergütungsanspruch des R beläuft sich nach der ursprünglichen Wertfestsetzung auf 1.469,65 EUR (Verfahrens- und Terminsgebühr, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Nach der erstrebten Wertfestsetzung würde sich der Vergütungsanspruch auf 1.707,65 EUR belaufen. Damit hätte R bei geänderter Streitwertfestsetzung einen um 238,00 EUR höheren Vergütungsanspruch und kann unabhängig von einer Zulassung Beschwerde einlegen.
Wertfestsetzung bei Hilfsaufrechnung/Hilfswiderklage
Ein Anspruch, der im Rahmen einer Hilfsaufrechnung oder Hilfswiderklage geltend gemacht wird, wird nur im Falle einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung beim Gerichtsgebührenwert berücksichtigt. Ohne eine solche rechtskraftfähige Entscheidung ist aber auch eine entsprechende Wertfestsetzungsbeschwerde nach § 33 RVG aussichtslos, da die h.M. den Wert der hilfsweise geltend gemachten Forderungen auch nicht im Rahmen einer selbstständigen Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG berücksichtigen will (BGH AGS 2008, 584 = MDR 2009, 54 = NJW 2009, 231 = zfs 2009, 41 = AnwBl 2009, 148 = RVGreport 2009, 32; KG RVGreport 2008, 316; KG JurBüro 2007, 488; OLG Karlsruhe AGS 2007, 470; OLG Hamm AGS 2007, 254; a.A. LAG Nürnberg AGS 2008, 359; LAG Berlin RVGreport 2008, 275; VGH Mannheim AGS 2008, 138).
Der Anwalt sollte daher eine Vergütungsvereinbarung mit seinem Mandanten schließen, wonach die auf die Hilfsanträge bezogene Tätigkeit nach einem entsprechend erhöhten Gegenstandswert abgerechnet werden kann.
II. Wer kann Beschwerde einlegen?
Unterschiedliche Zielrichtung der Beschwerden
Der Anwalt kann mit der Beschwerde die Erhöhung des festgesetzten Gegenstandswertes beantragen, sein Auftraggeber, der erstattungspflichtige Gegner sowie die Staatskasse die Herabsetzung. Für einen Herabsetzungsantrag des Anwalts fehlt es dagegen am Rechtsschutzbedürfnis, da er bei einem geringeren Gegenstandswert auch nur entsprechend niedrigere Gebühren abrechnen könnte.
III. Welche Formalien müssen beachtet werden?
Die Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung schriftlich zu Protokoll der Geschäftsstelle oder auf elektronischem Wege (§ 130a ZPO) bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 33 Abs. 3 S. 3 und Abs. 7 RVG). Ein Anwaltszwang besteht nicht (§ 33 Abs. 7 RVG i.V.m. § 78 Abs. 5 ZPO).
Legt der Anwalt die Beschwerde beim Beschwerdegericht ein, trägt er das Risiko, dass die Frist aufgrund der Übersendung an das zuständige Gericht nicht eingehalten wird. Denn anders als nach § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nach § 33 Abs. 7 RVG keine Einlegung beim Beschwerdegericht möglich.
IV. Wie geht es weiter?
Eventuell weitere Beschwerde möglich
Das Beschwerdegericht überprüft die vorgenommene Wertfestsetzung. Gegen die Entscheidung ist die weitere Beschwerde eröffnet, wenn das LG als Beschwerdegericht entschieden und die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat (§ 33 Abs. 6 RVG). Im Verfahren der weiteren Beschwerde, ...