Leitsatz
Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einer Nachfestsetzung der Umsatzsteuer nicht entgegen, wenn im Kostenfestsetzungsbeschluss über die Umsatzsteuer nicht entschieden worden ist.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.3.2009 – 8 W 82/09
1 I. Der Fall
Nach Abschluss des Rechtsstreits hatte die Beklagte die ihr entstandenen Anwaltskosten zur Festsetzung angemeldet, allerdings lediglich in Höhe der Nettokosten, da sie zunächst von einer Vorsteuerabzugsberechtigung ausging und dies auch so im Kostenfestsetzungsantrag erklärt hatte. Die angemeldeten Nettokosten wurden antragsgemäß festgesetzt. Später beantragte die Beklagte, die auf die anwaltliche Vergütung anfallende Umsatzsteuer nachträglich festzusetzen. Die Rechtspflegerin lehnte dies unter Hinweis auf die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses ab. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde, der die Rechtspflegerin ebenfalls nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg und führte zur nachträglichen Festsetzung der Umsatzsteuer.
2 II. Die Entscheidung
Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht der Nachliquidation nicht entgegen
Der Nachliquidation der Umsatzsteuer steht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht entgegen. Hat der Erstattungsberechtigte zunächst die Umsatzsteuer nicht geltend gemacht und erklärt, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, so hat das Erstgericht mangels Antrags über die Berechtigung der Umsatzsteuer erst gar nicht entschieden, sodass insoweit auch keine Rechtskraft eintreten kann. In Rechtskraft kann nur erwachsen, worüber das Gericht auch zu entscheiden hat.
Soweit nachträglich die Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO dahingehend abgegeben wird, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, kann folglich die Umsatzsteuer nachträglich noch festgesetzt werden.
Keine Verwirkung
Dem Festsetzungsantrag steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Der Nachfestsetzungsantrag war hier zwar erst sechseinhalb Monate nach Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses gestellt worden. Damit mag gegebenenfalls das Zeitmoment erreicht sein; es fehlt jedoch an dem Umstandsmoment. Allein daraus, dass die Umsatzsteuer zunächst nicht geltend gemacht worden ist, ergibt sich nicht, dass der Erstattungsberechtigte auch in Zukunft darauf verzichten wolle.
3 III. Der Praxistipp
Nachfestsetzung ist möglich, wenn noch nicht über Umsatzsteuer entschieden wurde
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der h.M. Die Nachfestsetzung der Umsatzsteuer kommt immer dann in Betracht, wenn die Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren erst gar nicht angemeldet worden ist oder wenn sie zwar zunächst angemeldet, dann der Antrag aber vor Entscheidung des Rechtspflegers wieder zurückgenommen worden ist. Entscheidend ist, dass das Gericht über die Umsatzsteuer nicht entschieden hat (ebenso OLG Karlsruhe OLGR 2007, 542 = JurBüro 2007, 317 = RVGreport 2007, 277; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201 = GuT 2005, 125; AGkompakt 2009, 39).
Keine Nachfestsetzung, wenn Umsatzsteuer abgesetzt worden ist
Hat das Gericht dagegen über die Umsatzsteuer entschieden und diese abgesetzt, dann kommt eine Nachfestsetzung nicht mehr in Betracht, da dann die Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses entgegensteht (ebenso OLG Hamburg JurBüro 2010, 596).
Dass ein Kostenfestsetzungsbeschluss einer Nachliquidation noch nicht beschiedener Positionen nicht entgegensteht, hatte der BGH kürzlich auch zur Verfahrensgebühr in Anrechnungsfällen ausgesprochen (AGS 2010, 580 = MDR 2011, 136 = AnwBl 2011, 149 = zfs 2011, 101 = ZfBR 2011, 140 = Rpfleger 2011, 178 = ErbR 2011, 82 = JurBüro 2011, 78 = BB 2010, 3034 = FamRZ 2011, 104 = RVGreport 2011, 28 = NJW-Spezial 2011, 28 = ZIP 2011, 304 = BRAK-Mitt 2011, 37).