Die Entscheidung ist zutreffend. Ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, ergibt sich daraus, ob ein oder mehrere Ermittlungsverfahren geführt werden. Das wiederum ergibt sich daraus, ob die Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft unter verschiedenen oder unter demselben Aktenzeichen geführt werden.
Vor Verbindung entstandene Grundgebühr kann nicht mehr entfallen
Bis zu einer Verbindung ist jedes Verfahren eine einzelne Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG. Nach Verbindung liegt dagegen nur eine Angelegenheit vor. Mehrere vor Verbindung einmal entstandene Grundgebühren können daher infolge einer Verfahrensverbindung nicht nachträglich entfallen oder zu einer Grundgebühr verschmelzen. Sie bleiben vielmehr bestehen (AG Tiergarten AGS 2010, 133 = RVGreport 2010, 18 = StRR 2010, 120 = VRR 2010, 120; LG Hamburg AGS 2008, 545). Wird der Verteidiger dagegen erst nach Verbindung beauftragt, kann die Grundgebühr nur einmal entstehen (AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 4104, 4105 VV Rn 22 ff.; Burhoff, Nr. 4104 VV Rn 19 ff.).
Trennung lässt keine neue Grundgebühr entstehen
Ebenso verhält es sich mit einer Trennung. Bis zu einer Trennung des Verfahrens liegt nur eine einzige Angelegenheit vor. Nach Abtrennung eines Verfahrens sind mehrere Angelegenheiten gegeben. Hier entsteht die Grundgebühr aber nur einmal (AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 4100 VV Rn 10, 11; Burhoff, Nr. 4100 Rn 27 ff.). Sie kann infolge einer Trennung nicht erneut entstehen, da nach einer Verfahrenstrennung keine neue Einarbeitung erforderlich ist.
Beispiel 1: Verbindung zweier Ermittlungsverfahren
Gegen den Mandanten wird wegen des Verdachts eines Betruges (Az. 1/10) und wegen des Verdachts eines Diebstahls (Az. 2/10) zunächst getrennt ermittelt. Später werden beide Verfahren verbunden (führend ist das Verfahren 2/10). Anschließend wird das Verfahren unter Mitwirkung des Verteidigers eingestellt.
Bis zur Verbindung entstehen die Gebühren getrennt, also jeweils eine Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr. Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV entsteht dagegen nach Verbindung nur einmal.
I. Verfahren 1/10
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
165,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
140,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
325,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
61,75 EUR |
Gesamt |
|
|
386,75 EUR |
II. Verfahren 2/10
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
165,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
140,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
140,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
465,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
88,35 EUR |
Gesamt |
|
|
553,35 EUR |
Beispiel 2: Abtrennung eines Ermittlungsverfahrens
Gegen den Mandanten wird wegen des Verdachts eines Betruges und wegen des Verdachts eines Diebstahls zunächst gemeinsam ermittelt (Az. 1/10). Später wird das Diebstahlsverfahren abgetrennt und als neue Sache (Az. 2/10) geführt. Anschließend werden beide Verfahren unter Mitwirkung des Verteidigers eingestellt.
Bis zur Trennung entstehen die Gebühren nur einmal. Alle danach ausgelösten Gebühren entstehen dagegen gesondert. Einmal entsteht also nur die Grundgebühr. Da in dem abgetrennten Verfahren die Verfahrensgebühr erneut ausgelöst wird (Vorbem. 4 Abs. 2 VV), entsteht sie erneut. Die zusätzliche Gebühr entsteht ebenfalls in jedem Verfahren.
I. Verfahren 1/10
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
165,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
140,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
140,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
465,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
88,35 EUR |
Gesamt |
|
|
553,35 EUR |
II. Verfahren 2/10
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
140,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4104 VV |
|
140,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
300,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
57,00 EUR |
Gesamt |
|
|
357,00 EUR |