Leitsatz

Bei der Beratungshilfetätigkeit hinsichtlich der Scheidung und deren Folgen handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten, selbst wenn diese später im Verbundverfahren als Folgesache geführt werden könnten.

AG Emmendingen, Beschl. v. 30.3.2010 – UR III 58/10, 61/10, 62/10 u. 63/10

I. Der Fall

Dem Rechtsuchenden war Beratungshilfe bewilligt worden für Scheidung und Getrenntlebendunterhalt. Der Anwalt, den der Rechtsuchende beauftragt hatte, rechnete darauf insgesamt vier Angelegenheiten ab. Der Urkundsbeamte war der Auffassung, es liege insgesamt nur eine Angelegenheit vor. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.

II. Die Entscheidung

Gem. § 1 BerHG ist dem Rechtsuchenden Beratungshilfe zu gewähren, wenn dieser die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden möglich ist und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Scheidung und Folgesachen sind verschiedene Angelegenheiten

Bei einer Beratungshilfetätigkeit über die Scheidung und deren Folgen ist auch dann gebührenrechtlich von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen, wenn diese später im gerichtlichen Verbundverfahren geltend zu machen wären (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 430). Vorliegend handelt es sich bei der Scheidung und dem Getrenntlebendunterhalt als Folgesache somit nicht um dieselbe Angelegenheit.

III. Der Praxistipp

Nach überwiegender Rechtsprechung ist § 16 Nr. 4 RVG nicht anwendbar

Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht zwischenzeitlich der überwiegenden Rechtsprechung. Nach § 16 Nr. 4 RVG gelten Scheidung und Folgesache als eine Angelegenheit. Diese Fiktion gilt aber nur für das gerichtliche Verfahren. Sie gilt nicht auch für die außergerichtliche Tätigkeit. Außergerichtlich sind vielmehr die Ehesache und die potentiellen Folgesachen gesonderte Angelegenheiten, zumal zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststeht, ob sie überhaupt als Folgesachen anhängig gemacht werden. Nur der Versorgungsausgleich ist zwingend im Verbund zu führen. Alle anderen möglichen Folgesachen können auch bei entsprechender Antragstellung gesondert geführt werden.

Rechtsprechungsübersicht

Ebenso entschieden haben

  OLG Köln AGS 2009, 422 = FamRZ 2009, 1345 = Rpfleger 2009, 516
  LG Mönchengladbach AGS 2009, 80 = JurBüro 2009, 95 = MDR 2009, 534 = FamRZ 209, 1086 = AnwBl 2009, 312
  AG Bad Schwalbach JurBüro 2009, 95
  OLG Düsseldorf AGS 2009, 79 = JurBüro 2009, 39 = OLGR 2009, 154 = NJW-RR 2009, 430 = FamRZ 2009, 1244 = Rpfleger 2009, 90
  AG Merzig AGS 2008, 136
  OLG Frankfurt/M. AGS 2009, 593 = FamRZ 2010, 230 = RVGreport 2010, 143
  AG Bochum, Beschl. v. 1.12.2009 – 50 II 2019/09
  LG Gießen AGS 2010, 190 = FamRZ 2010, 400 (bestätigt durch OLG Frankfurt/M. AGS 2010, 192)

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