Leitsatz
Klagt der Kläger auf Feststellung, dass das zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis ungekündigt fortbestehe, und verlangt der Beklagte mit der Widerklage die Zahlung einer über den Mietzins hinausgehenden Nutzungsentschädigung, weil er von der Beendigung des Mietverhältnisses ausgeht, liegt nicht derselbe Streitgegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG vor, so dass die Werte von Klage und Widerklage in diesem Fall zu addieren sind.
KG, Beschl. v. 1.3.2007 – 8 W 66/06
1 I. Der Fall
Nachdem die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt hatte und an dieser Kündigung auch weiterhin festhielt, erhob der Kläger positive Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien ungekündigt fortbestehe. Die nach dem Mietvertrag vereinbarte Miete zahlte er weiterhin fort. Der Beklagte, der bei seiner Auffassung blieb, das Mietverhältnis sei infolge der Kündigung beendet, erhob daraufhin Widerklage mit dem Antrag, den Kläger zu verurteilen, ab dem vermeintlichen Beendigungszeitpunkt einen weiteren monatlichen Betrag zu zahlen, da er nunmehr nicht mehr lediglich die Miete schulde, sondern eine angemessene Nutzungsentschädigung, die höher liege als die Miete.
Nach Abschluss des Verfahrens stritten die Parteien über die Höhe des Streitwertes.
2 II. Die Entscheidung
Das Gericht hat die Werte von Klage und Widerklage addiert.
Ausgangspunkt ist die Frage des wechselseitigen Ausschlusses
Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob bei Klage und Widerklage derselbe Streitgegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG vorliege, sei die Frage, ob sich beide Ansprüche wechselseitig ausschließen. Danach ist grundsätzlich von demselben Streitgegenstand auszugehen, wenn das Zusprechen der Klage zwingend zur Folge hat, dass die Widerklage abgewiesen werden muss, und wenn das Zusprechen der Widerklage zwingend die Abweisung der Klage zur Folge hat.
Zu berücksichtigen ist auch wirtschaftliches Interesse
Ausgehend hiervon hätte man im zugrunde liegenden Fall denselben Streitgegenstand annehmen können, da sich die Ansprüche von Klage und Widerklage wechselseitig ausschließen. Zu berücksichtigen ist aber darüber hinaus auch ein wirtschaftliches Interesse, das hier unterschiedlich war. Im Rahmen der Klage ging es um die Frage, ob das Mietverhältnis zu der vereinbarten Miete fortbestehe. Im Rahmen der Widerklage ging es dagegen um die Frage, ob über die Miete hinaus noch eine weitere Zahlung verlangt werden könne. Klage und Widerklage lagen damit unterschiedliche wirtschaftliche Interessen zugrunde, so dass zu addieren war.
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend. Mangels wirtschaftlichen Interesses war hier nicht von demselben Streitgegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG auszugehen.
Für Feststellungsantrag gilt volle Jahreswert
Der Wert des Feststellungsantrags auf Fortbestand des Mietverhältnisses war dabei auf den Jahreswert der Miete i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG festzusetzen. Obwohl es sich hier um eine positive Feststellungsklage handelte, war dennoch kein Feststellungsabschlag vorzunehmen. Bei dem Jahreswert des § 41 Abs. 1 GKG handelt es sich bereits um einen privilegierten Wert, der insbesondere auch für Feststellungsanträge gilt. Ein Feststellungsabschlag scheidet daher aus (BGH AGS 2009, 183 = GuT 2008, 446 = NZM 2009, 51 = NJW-RR 156 = JurBüro 2009, 89).
Für Nutzungsentschädigung gilt ebenfalls der Jahreswert
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) war ebenfalls vom Jahreswert auszugehen. Im Gegensatz zum Anspruch auf Zahlung laufender Mieten, für die der dreieinhalbfache Jahreswert des § 9 ZPO gilt, wendet die Rspr. auf den Anspruch auf Zahlung wiederkehrender Nutzungsentschädigungen § 3 ZPO an und schätzt den Wert in der Regel mit dem Jahresnutzungswert (zuletzt OLG Stuttgart AGS 2011, 245 = MDR 2011, 513 = JurBüro 2011, 198 = NJW-Spezial 2011, 221 = MietRB 2011, 112 m. umfangreichen Nachw. zur Rspr.). Da hier nur der über die Miete hinausgehende Betrag verlangt wurde, war also auf den Jahresmehrbetrag abzustellen.
Rechtsprechungsüberblick
Verschiedene Gegenstände mit der Folge einer Wertaddition hat die Rechtsprechung in folgenden Fällen angenommen:
Klage des Vermieters auf Mietzahlung mit Einwand des Mieters auf Minderung/Widerklage des Mieters wegen desselben Mangels auf Rückzahlung überzahlter Miete für die vorherigen Zeiträume |
LG Hamburg, Beschl. v. 7.1.1991 – 307 T 179/90, WuM 1993, 477 |
Klage des Mieters auf Feststellung, dass das Mietverhältnis ungekündigt fortbestehe/Widerklage des Vermieters auf Zahlung einer über den Mietzins hinausgehenden Nutzungsentschädigung |
KG, Beschl. v. 1.3.2007 – 8 W 66/06, MietRB 2007, 230 = KGR 2007, 759 |
Klage des Vermieters auf Räumung/Widerklage des Mieters auf Ersatz seiner Verwendungen nach § 539 Abs. 1 BGB oder auf Duldung der Wegnahme nach § 539 Abs. 2 BGB |
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Klage des Vermieters auf Nebenkostennachforderung nach Jahresabrechnung/Widerklage des Mieters auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen |
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, AGS 2009, 42 = JurBüro 2009, 85 = ZMR 2009, 197 = NJW 2009, 1515 ... |