Leitsatz
Liegt der Kanzleisitz eines Anwalts im Gerichtsbezirk des mit dem Verfahren befassten Gerichts, besteht kein Grund, die Beiordnung des Anwalts von besonderen Bedingungen abhängig zu machen. Insbesondere besteht keine rechtliche Grundlage dafür, die Beiordnung auf die kostenrechtlichen Bedingungen eines Anwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts zu beschränken.
OLG Celle, Beschl. v. 8.10.2007 – 10 WF 357/07
1 I. Der Fall
In einem Verfahren vor dem AG hatte die Antragstellerin einen Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung gestellt und die Beiordnung ihres Anwalts beantragt. Der Anwalt hatte seinen Sitz zwar im Gerichtsbezirk des AG, allerdings nicht in demselben Ort, in dem sich das AG befand.
Das AG hat daraufhin den Anwalt beigeordnet, allerdings mit der Einschränkung, dass er nur zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts beigeordnet werde.
Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Beiordnung zu den Bedingungen eines "ortsansässigen Rechtsanwalts" ist unzulässig
Es besteht keine rechtliche Grundlage dafür, die Beiordnung eines Rechtsanwalts dahingehend zu beschränken, dass er zu den Bedingungen eines "ortsansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet wird. Die ZPO sieht eine entsprechende Einschränkung nicht vor. Soweit die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – wie hier – vorliegen und – wie hier – eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, muss das Gericht der Partei einen zur Vertretung bereiten Anwalt beiordnen (§ 121 Abs. 1 ZPO).
Nur Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks kann einschränkend beigeordnet werden
Eine Einschränkung ist nach § 121 Abs. 3 ZPO nur dann möglich, wenn der Anwalt nicht im Gerichtsbezirk niedergelassen ist. In diesem Fall sollen keine Mehrkosten dadurch entstehen, dass der Anwalt nicht im Gerichtsbezirk niedergelassen ist. Er kann daher eingeschränkt beigeordnet werden.
Anwalt muss seine Kanzlei nicht am Gerichtsort haben
Anders verhält es sich dagegen bei einem Anwalt, der im Gerichtsbezirk niedergelassen ist. Er ist stets uneingeschränkt beizuordnen. Das gilt auch für den im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt, der seine Kanzlei nicht am Ort des Gerichts hat. Ob Reisekosten anfallen, ist insoweit unerheblich. Es handelt sich insoweit nicht um Mehrkosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO.
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend. Schon zu BRAGO-Zeiten war eine entsprechende Einschränkung zu den Bedingungen eines gerichtsortansässigen Anwalts nicht zulässig. Deren bedurfte es damals auch nicht, da nach § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO die Mehrkosten, die dadurch entstanden, dass der Anwalt seine Kanzlei nicht am Ort des Gerichts hatte, aus der Landeskasse nicht zu erstatten waren. Diese Einschränkung ist jedoch mit dem RVG weggefallen. Der im Gerichtsbezirk niedergelassene, nicht aber am Ort des Gerichts ansässige Anwalt kann daher seine Reisekosten aus der Landeskasse in vollem Umfang verlangen.
Landeskasse muss sämtliche Reisekosten übernehmen
Zu den Reisekosten, die die Landeskasse nach § 46 RVG übernehmen muss, gehören sämtliche Reisekosten nach Teil 7 VV. Im Gegensatz zu den Gebühren findet insoweit auch keine Ermäßigung statt. Der beigeordnete Anwalt erhält dieselben Reisekosten wie ein Wahlanwalt, insbesondere
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Fahrtkosten für die Benutzung des eigenen Pkw in Höhe von 0,30 EUR/km (Nr. 7003 VV), |
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Fahrtkosten für die Benutzung anderer Verkehrsmittel (Nr. 7004 VV), |
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ein Abwesenheitsentgelt je nach Dauer der Abwesenheit (Nr. 7005 VV), |
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sonstige Auslagen, insbesondere Parkgebühren (Nr. 7006 VV). |