1. Überblick
Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung
Auch in einstweiligen Anordnungsverfahren ist eine fiktive Terminsgebühr möglich. Bei einem einstweiligen Anordnungsverfahren handelt es sich nämlich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung nicht nur solche, in denen von vorneherein mündlich verhandelt werden muss, sondern auch solche Verfahren, in denen ein Beteiligter im Nachhinein die mündliche Verhandlung erzwingen kann. Dies ist in einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund der Vorschrift des § 54 Abs. 2 FamFG immer möglich.
Die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [jetzt Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV] vorgesehene Terminsgebühr kann auch in solchen Verfahren anfallen, in denen eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt.
BGH, Beschl. v. 2.11.2011 – XII ZB 458/10, AGS 2012, 10 = MDR 2012, 57 = zfs 2012, 43 = FamRZ 2012, 110 = Rpfleger 2012, 102 = NJW 2012, 459 = JurBüro 2012, 137 = FF 2012, 43 = FuR 2012, 93 = FamFR 2012, 36 = RVGreport 2012, 59 = NJW-Spezial 2012, 156
Fiktive Terminsgebühr im einstweiligen Anordnungsverfahren
Bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handelt es sich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung, sodass eine Terminsgebühr auch unter den Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
OLG Brandenburg, v. 29.3.2017 – 15 WF 40/17, AGS 2017, 214 = NZFam 2017, 321 = RVGreport 2017, 223 = RVGprof. 2017, 105
2. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 52 Abs. 2 S. 2 FamFG
Keine fiktive Terminsgebühr bei erstmaliger Entscheidung
Entscheidet das Gericht erstmals über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung, entsteht allerdings keine Terminsgebühr, weil das Gericht insoweit nicht die Zustimmung der Beteiligten benötigt, sondern die Erstentscheidung stets ohne mündliche Verhandlung erlassen darf (§ 51 Abs. 2 S. 2 FamFG).
Beispiel
Der Kindesvater beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Umgangsrecht (Wert: 1.500,00 EUR). Das Gericht erlässt die Anordnung ohne mündliche Verhandlung.
Es entsteht nur eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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149,50 EUR |
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(Wert: 1.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
169,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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32,21 EUR |
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Gesamt |
|
201,71 EUR |
3. Anerkenntnis
Anerkenntnis löst Terminsgebühr aus
Anders verhält es sich, wenn der Antragsgegner anerkennt und daraufhin ein Anerkenntnisbeschluss im schriftlichen Verfahren nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 308 ZPO ergeht. In diesem Fall entsteht die Terminsgebühr.
Beispiel
Nach Zustellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Unterhalt (Wert: 3.000,00 EUR) erkennt der Antragsgegner die Forderung an. Das Gericht erlässt einen Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung.
Jetzt entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV auch eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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261,30 EUR |
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(Wert: 3.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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241,20 EUR |
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(Wert: 3.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
522,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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99,28 EUR |
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Gesamt |
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621,78 EUR |
4. Schriftlicher Vergleich
Terminsgebühr auch bei schriftlichem Vergleich
Ebenso entsteht eine fiktive Terminsgebühr, wenn im einstweiligen Anordnungsverfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
Der Anwalt beantragt für den Kindesvater den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Umgangsrecht (Wert: 1.500,00 EUR). Es kommt zum Abschluss eines schriftlichen Vergleichs, ohne dass ein Termin stattgefunden hat.
Neben der 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und der 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV entsteht auch hier eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
149,50 EUR |
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(Wert: 1.500,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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138,00 EUR |
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(Wert: 1.500,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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115,00 EUR |
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(Wert: 1.500,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
422,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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80,28 EUR |
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Gesamt |
|
502,78 EUR |
5. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Antrag auf Neuentscheidung
Zustimmung der Beteiligten erforderlich
Hat das Gericht allerdings bereits ohne mündliche Verhandlung nach § 51 Abs. 2 S. 2 FamFG entschieden und wird hiernach gem. § 54 Abs. 2 FamFG eine Neuentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung beantragt, muss das Gericht mündlich verhandeln. Erklären sich jetzt die Beteiligten nachträglich nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, entsteht ebenfalls eine Terminsgebühr.
Beispiel
Nach Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Unterhalt (Wert: 3.000,00 EUR) beantragt der Ehemann Neuentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung. Im Einverständnis der Beteiligten wird gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO ...