Verfahrenskostenhilfe in der Ehesache erstreckt sich auch auf Vereinbarungen über Folgesachen
Ist einem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe in der Ehesache (§ 121 FamFG) bewilligt worden, so erstrecken sich Bewilligung und Beiordnung nach § 48 Abs. 3 RVG auch auf eine Einigung über eine der dort genannten Folgesachen, ohne dass es einer gesonderten Bewilligung bedarf. Diese Erstreckung kann vom Gericht auch nicht eingeschränkt werden.
Unstrittig ist, dass sich die Beiordnung sowohl auf die Verfahrens- als auch auf die Einigungsgebühr erstreckt. Strittig ist, ob auch eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) erfasst wird, die nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV für das Aushandeln der Folgenvereinbarung entsteht.
Überwiegende Rspr. bejaht Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Terminsgebühr
Die überwiegende Rspr. bejaht dies zu Recht. Die Vorschrift des § 48 Abs. 3 RVG verfolgt nicht den Zweck, den Anwälten Mehreinnahmen zu verschaffen, sondern sie soll zur Entlastung der Gerichte beitragen. Es soll für die beteiligten Anwälte ein Anreiz geschaffen werden, in einer anhängigen Ehesache nach Möglichkeit sämtliche zwischen den Beteiligten streitigen Folgesachen im Wege einer Folgenvereinbarung zu erledigen, um dem Gericht den zusätzlichen Aufwand einer streitigen Folgesache zu ersparen, die zudem für die Landeskasse zu höheren Gebühren führen würde. Ein Anwalt, der es erreicht, eine Folgesache gütlich beizulegen, entlastet das Gericht und schont letztlich auch die Landeskasse, weil es nicht mehr zu einem Verfahren kommt. Deshalb soll dieser Anwalt dann auch seine Vergütung aus der Landeskasse erhalten. Das hat insbesondere das OLG Köln in seiner Entscheidung (s.u.) deutlich herausgearbeitet.
Diesem Sinn und Zweck würde es aber widersprechen, wenn man die Beiordnung nicht auch auf die Terminsgebühr erstrecken würde. Der Anwalt müsste also seinen Mandanten beraten und ihn vor folgende Alternativen stellen:
- Entweder wird eine Folgenvereinbarung geschlossen und der Mandant zahlt aus dem Mehrwert die Terminsgebühr in Höhe der Wahlanwaltsvergütung selbst,
- oder die Einigung wird nicht abgeschlossen. Stattdessen wird die Folgesache anhängig gemacht und dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt. Sobald diese bewilligt ist, wird dann der Vergleich geschlossen, der in diesem Fall unstreitig die Terminsgebühr zu Lasten der Landeskasse erfasst.
Da der bedürftige Beteiligte die Wahlanwaltsgebühren nicht zahlen will und kann, wird er sich also für die zweite Variante entscheiden, nämlich eine Folgesache anhängig zu machen, bevor er dann die Einigung abschließt. Das aber läuft dem erklärten Zweck des § 48 Abs. 3 RVG zuwider.
Für Erstreckung auf die Terminsgebühr
Für eine Erstreckung auf die Terminsgebühr haben sich ausgesprochen:
- OLG Köln AGS 2007, 547 = FamRZ 2008, 707 = OLGR 2008, 367 = NJW-Spezial 2007, 523,
- OLG Karlsruhe OLGR 2009, 639 = FuR 2009, 636 = MDR 2009, 1253,
- OLG Saarbrücken AGS 2009, 77 = NJW 2008, 3150 = OLGR 2008, 823 = FamRZ 2009, 143 = RVGreport 2008, 384,
- OLG Bamberg JurBüro 2009, 591,
- OLG Stuttgart AGS 2008, 353 = AnwBl 2008, 303 = FamRZ 2008, 1010 = JurBüro 2008, 306 = Rpfleger 2008, 368 = OLGR 2008, 501 = MDR 2008, 1067 = Justiz 2008, 367.
Gegen Erstreckung auf die Terminsgebühr
Nach Auffassung des OLG München entsteht ein Anspruch auf die 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert des Mehrvergleichs nur, wenn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ausdrücklich auf die nicht anhängigen, mitverglichenen Gegenstände erweitert worden ist.
- OLG München AGS 2009, 503 = OLGR 2009, 604 = JurBüro 2009, 478 = NJW-RR 2009, 1367 = FamRZ 2009, 1779 = MDR 2009, 1315,
- OLG München OLGR 2009, 530.