Immer wieder kommt es vor, dass in Bußgeldsachen, in denen es um geringfügige Bußgelder geht, Gutachten eingeholt werden, die unverhältnismäßig hohe Kosten auslösen, etwa Sachverständigengutachten zur Identitätsfeststellung des Fahrers oder Sachverständigengutachten zur Überprüfung eines Messergebnisses. Das AG kann solche Gutachten vorbereitend vor der Hauptverhandlung von Amts wegen einholen. Eines Beweisantrags des Betroffenen bedarf es hierzu nicht. Der Betroffene muss mit der Einholung auch nicht einverstanden sein. Das Gericht ist insoweit in seinem Ermessen grundsätzlich frei, ob und wann es welche Beweise erhebt.
Wird vorbereitend ein solches Gutachten eingeholt und hat dies für den Betroffenen einen ungünstigen Ausgang, beendet er das Verfahren dann in der Regel durch die Rücknahme seines Einspruchs, was zur Folge hat, dass er die angefallenen Kosten tragen muss. Ist der Betroffene rechtsschutzversichert, trifft die Kostenbelastung letztlich seinen Versicherer. Ist der Betroffene nicht rechtsschutzversichert, sieht er sich plötzlich einer hohen Gerichtskostenforderung ausgesetzt, die in keinem Verhältnis zu dem verhängten Bußgeld steht.
Der Betroffene wendet dann ein, dass er den Einspruch schon früher zurückgenommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass ein Gutachten eingeholt werde und welche Kosten dies auslöse. Dieses Risiko hätte er nicht eingehen wollen.
Eine Möglichkeit, sich gegen die Kostenbelastung zu wenden, besteht allerdings nicht. Die Kostenfolge bei Rücknahme des Einspruchs ist zwingend vorgegeben.
Erinnerung gegen den Kostenansatz ist möglich
Der Betroffene kann sich in diesen Fällen aber mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 1 GKG) wenden und hierbei inzidenter geltend machen, dass die Kosten des Gutachtens bei unrichtiger Sachbehandlung nicht hätten erhoben werden dürfen (§ 21 GKG).
Gericht muss auf unverhältnismäßig hohe Kosten einer Beweisaufnahme hinweisen
Es ist einhellige Rspr., dass ein Gericht in Bußgeldverfahren den Betroffenen darauf hinweisen muss, wenn es beabsichtigt, durch Beweiserhebungen Kosten auszulösen, die in keinem Verhältnis zum drohenden Bußgeld stehen. Letztlich folgt dies schon aus dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.
Verstoß beinhaltet unrichtige Sachbehandlung
Daher stellt es nach der einhelligen Rechtsprechung eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 21 Abs. 1 GKG dar, wenn das Gericht ein kostenintensives Gutachten einholt, ohne den Betroffenen zuvor darüber zu unterrichten und ihm die Möglichkeit zu geben, durch eine rechtzeitige Rücknahme seines Einspruchs diese Kosten zu vermeiden.
- LG Baden-Baden zfs 1994, 263,
- LG Freiberg MDR 1993, 911,
- AG Zschopau zfs 1994, 422,
- LG Leipzig JurBüro 2009, 598,
- ebenso Hartmann KostG, 39. Aufl., § 21 Rn 24.
Erinnerung ist unbefristet
Da es sich um eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 GKG handelt, ist diese unbefristet. Sie kann also auch noch nach längerer Zeit eingelegt werden, sogar noch nach Ausgleich der Gerichtskostenrechnung. In Betracht kommt allerdings eine Verwirkung der Erinnerung.
Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist nach § 66 Abs. 2 GKG die Beschwerde zum LG eröffnet, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200,00 EUR übersteigt oder das AG in seiner Entscheidung über die Erinnerung die Beschwerde zugelassen hat.
In Betracht kommt sogar noch die weitere Beschwerde zum OLG, wenn sie vom LG zugelassen wird (§ 66 Abs. 4 GKG).