I. Mehrfacher Anfall in derselben Angelegenheit
Gebühr entsteht nur einmal
In derselben Angelegenheit können nach § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren des Anwalts nur einmal anfallen. Daher kann in derselben Angelegenheit die Zusätzliche Gebühr zwar mehrfach ausgelöst werden, aber nur einmal entstehen.
Beispiel: Mehrmalige Einstellung in demselben Verfahrensabschnitt
Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wird mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO auf Betreiben des Verteidigers eingestellt. Später werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft stellt später mit Zustimmung des Amtsgerichts das Verfahren nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße ein, die auch geleistet wird.
Die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV ist jetzt zwar zweimal ausgelöst worden. Insgesamt entsteht sie jedoch nur einmal (§ 15 Abs. 2 RVG).
Zu rechnen ist wie folgt:
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
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165,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
550,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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104,50 EUR |
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Gesamt |
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654,50 EUR |
II. Mehrfacher Anfall in verschiedenen Angelegenheiten
Gebühr kann mehrfach entstehen
Da der Verteidiger in jeder Angelegenheit seine Gebühren und Auslagen gesondert erhält, kann er die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV in verschiedenen Angelegenheiten auch mehrmals verdienen.
Beispiel: Mehrmalige Einstellung in verschiedenen Verfahrensabschnitten
Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wird mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO auf Betreiben des Verteidigers eingestellt. Auf die Beschwerde des Anzeigenerstatters werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Es wird Anklage erhoben. Außerhalb der Hauptverhandlung erreicht der Verteidiger eine Einstellung nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße, die auch geleistet wird, sodass das Verfahren endgültig eingestellt wird.
Fortsetzung des Verfahrens ist unerheblich
Zunächst hat der Anwalt im vorbereitenden Verfahren die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV verdient, da die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine vorläufige Einstellung ist. Dass das Verfahren später wieder aufgenommen wurde, ist unerheblich.
Wird unter Mitwirkung des Verteidigers das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und ist dadurch eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV entstanden, so fällt diese nicht wieder weg, wenn die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufnimmt.
AG Tiergarten, Beschl. v. 26.2.2014 – (257 Ds) 261 Js 2796/12 (54/13), 257 Ds 54/13, AGS 2014, 273 = zfs 2014, 290 = RVGreport 2014, 232 = NJW-Spezial 2014, 381 = RVGprof. 2014, 156
Zusätzliche Gebühr bei Einstellung trotz anschließender Fortsetzung des Verfahrens
1. Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO erkennbar mit dem Ziel der endgültigen Erledigung ein, wird die Hauptverhandlung infolge dieses Verfahrensablaufs (zunächst) entbehrlich, was für den Anfall der Befriedungsgebühr gem. Nr. 4141 VV ausreichend ist.
2. Wenn anschließend das Verfahren auf Beschwerde des Anzeigenerstatters hin wieder aufgenommen und Anklage erhoben wird, hat dies auf die bereits entstandene Zusatzgebühr keinen Einfluss.
AG Erding, Beschl. v. 31.5.2016 – 7 Ds 310 Js 18243/14, AGS 2017, 180 = StraFo 2016, 436
Zu rechnen ist wie folgt:
I. Vorbereitendes Verfahren |
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1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
165,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
550,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
104,50 EUR |
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Gesamt |
|
654,50 EUR |
Im gerichtlichen Verfahren ist die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV durch die Einstellung nach § 153a StPO erneut ausgelöst worden. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG steht jetzt dem erneuten Anfall dieser Gebühr nicht entgegen, da es sich bei vorbereitendem Verfahren und gerichtlichem Verfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, wie in § 17 Nr. 10 RVG ausdrücklich klargestellt worden ist.
Zu rechnen ist hier wie folgt:
II. Verfahren vor dem Amtsgericht |
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1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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165,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
165,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
350,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
66,50 EUR |
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Gesamt |
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416,50 EUR |
Ebenso verhält es sich, wenn nach einer Einstellung im vorbereitenden Verfahren die Sache wieder aufgenommen und angeklagt wird, das Gericht jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt. Dann entsteht die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV
Sofern zunächst im vorbereitenden Verfahren eine – nicht nur vorläufige Einstellung – nach § 170 Abs. 2 StPO und nach Wiederaufnahme im gerichtlichen Verfahren ein Beschluss über die Nichteröffnung des Hauptverfahrens jeweils unter Mitwirkung des Verteidigers herbeigef...