Leitsatz
1. Bei der Streitwertfestsetzung in Ehesachen ist das dreifache Nettoeinkommen beider Ehegatten maßgeblich.
2. Spesen, die ein Ehegatte vereinnahmt, sind zu einem Drittel in die Einkommensberechnung einzubeziehen. Kindergeld ist Einkommen und erhöht den Streitwert.
3. Nicht zum Einkommen gehören Erziehungsgeld und Leistungen nach dem SGB II.
OLG Jena, Beschl. v. 12.5.2010 – 1 WF 143/10
I. Der Fall
Zwischen den Eheleuten war ein Scheidungsverfahren anhängig. Zum Zeitpunkt der Antragseinreichung vereinnahmte die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II, Kindergeld für drei Kinder sowie Erziehungsgeld. Der Antragsgegner hatte behauptet, arbeitslos zu sein. Das FamFG setzte den Streitwert auf 2.000,00 EUR für die Ehesache und 1.000,00 EUR für den Versorgungsausgleich fest. Bei der Streitwertfestsetzung war das Einkommen des Antragsgegners gar nicht berücksichtigt worden. Bei den von der Antragstellerin vereinnahmten Leistungen nach dem SGB II und dem Erziehungsgeld ist es davon ausgegangen, dass diese bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen seien. Gegen die Wertfestsetzung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, die teilweise Erfolg hatte.
II. Die Entscheidung
Spesen sind bei der Streitwertfestsetzung in Ehesachen zu einem Drittel zu berücksichtigen
Das OLG folgt der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach auch Aufwandsentschädigungen Einkommen darstellen können. Dem unterhaltsrechtlichen Grundsatz, Aufwandsentschädigungen in Form von Spesen zu einem Drittel zu berücksichtigen, hat das OLG Folge geleistet und den Streitwert insoweit erhöht.
Kindergeld ist als Einkommen zu berücksichtigen
Auch Kindergeld soll als Einkommen bei der Streitwertfestsetzung für die Ehesache zu berücksichtigen sein.
Erziehungsgeld ist kein Einkommen
Demgegenüber sei Erziehungsgeld kein Einkommen i.S.d. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG. Begründet wird diese Auffassung damit, dass Erziehungsgeld keine Lohnersatzfunktion habe, vielmehr auch an Eltern ausgezahlt werde, die zuvor nicht erwerbstätig waren. Eine Berücksichtigung bei der Streitwertfestsetzung in Ehesachen würde auch einen Wertungswiderspruch im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben, weil das Erziehungsgeld auch insoweit nicht zu berücksichtigen sei.
Leistungen nach dem SGB II sind kein Einkommen
Mit einer in wesentlichen Punkten ähnlichen Argumentation lehnt es das OLG auch ab, Leistungen nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, weil diese keinen Ersatz für ein Erwerbseinkommen darstellten, sondern Ausdruck von Bedürftigkeit, also fehlender Mittel seien. Verfassungsrechtliche Bedenken würden sich nicht ergeben. Das OLG bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des BVerfG (FamRZ 2006, 841 = NJW 2006, 1581 = NJW-Spezial 2006, 300 = FamRB 2006, 236 = FPR 2006, 450).
III. Der Praxistipp
Die nach dem GKG maßgebende Bewertung für Ehesachen wird nach neuem Recht übernommen
Für die Bewertung von Ehesachen ändert sich nach neuem Recht nichts. Die bisher maßgeblichen, sich aus § 48 Abs. 2 und 3 GKG ergebenden Grundsätze sind in die neue Regelung des § 43 FamGKG unverändert übernommen worden. Der Wert in Ehesachen ist deshalb weiterhin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere
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des Umfangs der Sache, |
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der Bedeutung der Sache, |
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der Vermögensverhältnisse der Ehegatten und |
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der Einkommensverhältnisse der Ehegatten |
zu bestimmen, wobei für die Einkommensverhältnisse nach wie vor das dreifache Nettoeinkommen der Ehegatten maßgebend ist (§ 43 Abs. 2 FamGKG).
Die Berücksichtigung von Leistungen nach dem SGB II ist strittig
Ob Leistungen nach dem SGB II bei den Einkommensverhältnissen zu berücksichtigen sind, ist umstritten. So gehen das OLG Köln (FamRZ 2009, 638 = OLGR 2009, 369 = FPR 2009, 380) und das OLG Düsseldorf (FamRZ 2009, 453 = ZFE 2008, 389 = OLGR 2009, 412 = FF 2009, 176) mit m.E. zutreffender Begründung davon aus, dass auch Leistungen nach dem SGB II Einkommenscharakter zukommt und sie bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind.
Der Wortlaut der Wertvorschrift verbietet die Berücksichtigung nicht
Aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 43 Abs. 2 FamGKG (§ 48 Abs. 3 GKG a.F.) ergeben sich keine dahin gehenden Anhaltspunkte, dass lediglich Erwerbseinkommen oder solche Einnahmen berücksichtigt werden sollen, die ein Surrogat für Erwerbseinkünfte darstellen. Die Quelle, aus der Gelder vereinnahmt werden, ist deshalb nicht maßgeblich.
Unterhaltsrechtliche Leitlinien berücksichtigen teilweise ALG-II-Leistungen als Einkommen
Für die Berücksichtigung bei der Wertfestsetzung spricht auch der Umstand, dass die Leitlinien verschiedener OLG ALG-II-Leistungen auf Seiten des Verpflichteten als Einkommen berücksichtigen. Dass dies bei der Wertfestsetzung anders sein soll, ist tragfähig jedenfalls nicht zu begründen.
Ebenso wie das OLG Köln und das OLG Düsseldorf haben entschieden:
Verfassungsrechtlich...