Leitsatz
Hatte der Beklagte einen Prozessvergleich angefochten, in dem er sich zur Zahlung eines bestimmten Betrages verpflichtet hatte und in dem er gleichzeitig auch auf eigene nicht anhängige Forderungen verzichtet hat, so berechnet sich der Wert der Beschwer lediglich nach dem Wert der vergleichsweise erledigten Zahlungspflicht. Der Wert der abgegoltenen nicht anhängigen Ansprüche bleibt insoweit außer Ansatz.
BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03
1 I. Der Fall
Die klagende Ehefrau hatte gegen den beklagten Ehemann Unterhaltsansprüche in Höhe von 2.398,89 EUR geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem FamG schlossen die Beteiligten dann einen Vergleich, wonach sich der Beklagte verpflichtete, 257,95 EUR zu zahlen, und vereinbart wurde, dass darüber hinaus Einigkeit bestehe, dass für die Vergangenheit zwischen den Beteiligten wechselseitig keine Unterhaltsforderungen mehr bestehen.
Später erklärte der Beklagte die Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung und beantragte die Fortsetzung des Verfahrens. Das FamG hat daraufhin durch Urteil festgestellt, dass der Vergleich wirksam und das Verfahren beendet sei. Die hiergegen erhobene Berufung hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen, da die erforderliche Beschwerdesumme von mehr als 600,00 EUR nicht erreicht sei. Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist im selben Verfahren auszutragen
Der Streit über die Wirksamkeit eines angefochtenen Prozessvergleichs ist im selben Verfahren auszutragen.
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Hält das Gericht den Vergleich aufgrund durchgreifender Anfechtung für unwirksam (§ 142 BGB), so wird der Rechtsstreit in der Lage vor dem Vergleich fortgesetzt. |
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Hält das Gericht den Vergleich dagegen trotz Anfechtung für wirksam, hat es durch Urteil (Beschluss) auszusprechen, dass das Verfahren durch den Vergleich beendet ist. |
Streitwertfestsetzung ist strittig
Strittig ist, welcher Streitwert für das Verfahren anzusetzen ist.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, der Streitwert des ursprünglichen Verfahrens bleibe weiterhin maßgebend (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Nr. 68 Stichwort: Vergleich [Wert bei Fortsetzung des Verfahrens]; Musielak/Henrich, ZPO, 5. Aufl., § 3 Rn 32; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn 16 Stichwort: Vergleich; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn 157; Hk-ZPO/Kayser § 3 Rn 15 Stichwort: Vergleich; Anders/Gehle/Kuntze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., S. 315 Rn 20; ebenso: LAG Düsseldorf MDR 2000, 1099).
Nach a.A. ist dagegen auf das Interesse des Anfechtenden abzustellen. Diese Differenz bestimme sich nach der Differenz seines bisherigen Sachantrags im Verfahren zu der im Vergleich übernommenen Verpflichtung. Der Wertbestimmung habe daher eine Saldierung der mit dem Vergleichsabschluss verbundenen vermögensrechtlichen Vor- und Nachteile für den "Fortsetzungskläger" vorauszugehen (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn 5737; MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger, 2. Aufl., § 3 Rn 127; OLG Bamberg JurBüro 1998, 541 = OLGR 1999, 115; OLG Frankfurt OLGR 2004, 122; OLG Stuttgart JurBüro 1978, 1654).
BGH stellt auf das Interesse an der Anfechtung ab
Zumindest für die Berechnung der Beschwer folgt der BGH der zweiten Ansicht. Daraus ergibt sich nach Auffassung des BGH hier eine Beschwer von lediglich 257,95 EUR, weil der Beklagte lediglich diesen Betrag übernommen habe und er im Falle einer wirksamen Anfechtung des Vergleichs von dieser Zahlungspflicht frei werde.
Dass der Beklagte darüber hinaus auch darauf verzichtet habe, eigene Ansprüche geltend zu machen, rechtfertige keinen höheren Wert.