Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Erinnerungsbefugnis
Nur Rechtsanwalt und Staatskasse sind erinnerungsberechtigt
Gegen die in § 55 RVG geregelte Festsetzung der Vergütung findet gem. § 56 Abs. 1 RVG zunächst die Erinnerung statt. Die Erinnerung kann nur vom Rechtsanwalt oder der Staatskasse eingelegt werden. Nicht erinnerungsberechtigt ist die von dem Anwalt vertretene Partei/der von dem Anwalt vertretene Beteiligte oder der erstattungspflichtige Gegner.
Kommt die zögerliche Bearbeitung des Vergütungsantrages einer Ablehnung der Festsetzung gleich, kann insoweit ebenfalls Erinnerung eingelegt werden (vgl. OLG Naumburg NJW 2003, 2921, noch zur BRAGO; AG Duisburg Rpfleger 2009, 521; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 47 Rn. 9; RVGprof. 2010, 116).
2. Einlegung und Form
Die Erinnerung kann nach § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 7 Satz 1 RVG, § 129a ZPO zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines jeden AG erhoben oder schriftlich bzw. als elektronisches Dokument (vgl. § 12b RVG) beim Erinnerungsgericht (vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG) eingereicht werden.
3. Frist
Die Erinnerung ist unbefristet
Die Erinnerung ist unbefristet, weil in § 56 Abs. 2 S. 1 RVG für die Erinnerung nur auf § 33 Abs. 4 S. 1 RVG verwiesen wird, nicht aber auf die Beschwerdefrist in § 33 Abs. 3 S. 3 RVG (vgl. OLG Düsseldorf RVGreport 2008, 216; OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218; OLG Hamm MDR 2009, 294; LAG München JurBüro 2010, 26; OLG Frankfurt RVGreport 2007, 100; OLG Jena JurBüro 2006, 366; a.A.: OLG Koblenz RVGreport 2006, 60).
Verwirkung ist umstritten
Entsprechend § 20 GKG soll das Erinnerungsrecht nach Ablauf des auf die abschließende Festsetzung folgenden Kalenderjahrs verwirkt werden können (vgl. hierzu Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 7 Beratungshilfe Rn 158). Diese Analogie zu § 20 GKG widerspricht allerdings der ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertung, Erinnerungen gegen Vergütungsfestsetzungen gerade keiner Frist zu unterwerfen, und ist daher abzulehnen (vgl. OLG Düsseldorf RVGreport 2008, 216).
4. Entscheidung
Abhilfe durch den Urkundsbeamten
Gem. §§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 4 S. 1 RVG kann der Urkundsbeamte der Erinnerung abhelfen. Ist einer Erinnerung des Rechtsanwalts oder der Staatskasse nach Anhörung der Gegenseite abgeholfen worden, kann die Partei, zu deren Ungunsten die Festsetzung abgeändert worden ist, gegen diese abändernde Festsetzung ihrerseits Erinnerung einlegen. Eine Abhilfemöglichkeit des Urkundsbeamten besteht dann aber nicht mehr (vgl. OLG Düsseldorf StRR 2010, 276).
Der Urkundsbeamte darf eine Festsetzung nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine Erinnerung des Rechtsanwalts oder der Staatskasse hin abändern (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 2008, 614O; LG Bremen AGS 2007, 207 = RVGreport 2007, 183).
Entscheidung durch das Gericht
Bei Nichtabhilfe legt der Urkundsbeamte die Sache gem. §§ 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 1 RVG unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor. Die Erinnerungsentscheidung ist zu begründen und wegen §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG von Amts wegen zuzustellen, wenn der Beschwerdewert mindestens 200,01 EUR beträgt.
Eine Kostenentscheidung ist gem. § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG nicht erforderlich.
Zuständiges Gericht bei Beratungshilfe
Hilft der Urkundsbeamte der Erinnerung gegen seine Entscheidung über die Beratungshilfevergütung nicht ab, entscheidet über die Erinnerung auch bei Wohnsitzwechsel des Rechtsuchenden nach der Festsetzung das AG, das bereits die Vergütung festgesetzt hat (§ 55 Abs. 4; vgl. Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 7 Rn 157). Umstritten ist, ob bei der Beratungshilfevergütung im Fall der Nichtabhilfe des Urkundsbeamten der Richter oder der Rechtspfleger als Gericht des Rechtszugs i.S.v. § 56 Abs. 1 anzusehen ist. Für die Zuständigkeit des Rechtspflegers spricht, dass ihm gem. § 24a RPflG die Sachentscheidung in der Beratungshilfe (Bewilligung) übertragen ist (so LG Mönchengladbach AGS 2009, 80; AG Kiel AGS 2010, 96; a.A. LG Gießen AGS 2010, 190; AG Halle AGS 2011, 84). Wird dieser Auffassung gefolgt, sind bei der Beratungshilfevergütung aber zwei Erinnerungsverfahren erforderlich (§ 56 Abs. 1 RVG, § 11 Abs. 2 RpflG), um zu einer richterlichen Entscheidung zu gelangen.
Beschwerde kann in der Erinnerungsentscheidung zugelassen werden
Übersteigt der Beschwerdewert 200,00 EUR nicht, kann in der Erinnerungsentscheidung bei grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die Beschwerde zugelassen werden (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG). Die Zulassung kann nicht in einem nachträglichen besonderen Beschluss erfolgen. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
Obwohl ein Antrag auf Beschwerdezulassung nicht erforderlich ist, ist es sinnvoll, die Zulassung anzuregen und zur grundsätzlichen Bedeutung der Sache vorzutragen.