Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Geltungsbereich
§ 56 Abs. 2 RVG eröffnet das Beschwerdeverfahren für alle in Teil 3 bis 6 VV RVG geregelten Angelegenheiten. Erfasst sind damit sämtliche Festsetzungsverfahren nach § 55 in allen Gerichtsbarkeiten, weil die jeweiligen Verfahrensordnungen durch die in § 56 Abs. 2 RVG für anwendbar erklärten Sonderregeln des § 33 RVG verdrängt werden. § 56 ist somit eine Rechtswege übergreifende Verfahrensvorschrift. In der Sozialgerichtsbarkeit ist diese Frage allerdings stark umstritten (für die Beschwerde gem. § 56 Abs. 2 RVG: Bayerisches LSG ASR 2010, 270 = RVGreport 2010, 216; LSG Nordrhein-Westfalen RVGreport 2010, 221; RVGreport 2008, 456; RVGreport 2008, 303; Thüringer LSG AGS 2009, 579; gegen die Beschwerde zum Landessozialgericht nach § 56 Abs. 2 RVG, das Sozialgericht entscheidet abschließend: vgl. z. B. LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2008, 420; LSG Niedersachsen-Bremen NdsRpfl 2008, 87; RVGreport 2007, 384).
2. Beschwerdebefugnis
Die Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung kann nur vom Rechtsanwalt oder der Staatskasse eingelegt werden.
3. Einlegung und Form
Einlegung beim Erinnerungsgericht
Nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 7 S. 2 RVG ist die Beschwerde bei dem Gericht einzulegen, dessen Erinnerungsentscheidung angefochten wird. Beim Beschwerdegericht kann die Beschwerde nicht eingelegt werden.
4. Frist
Beschwerdefrist: Zwei Wochen ab Zustellung der Erinnerungsentscheidung
Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Erinnerungsentscheidung einzulegen. Ist diese nicht zugestellt worden und hat damit der Lauf der Beschwerdefrist nicht begonnen, gilt § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO (Fristbeginn spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses).
Ist die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt worden, kommt gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 5 RVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
5. Beschwerdewert
Beschwerdewert beträgt mindestens 200,01 EUR
Die Beschwerde ist zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen worden ist. Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz zwischen der festgesetzten und der mit der Beschwerde angestrebten Vergütung (inkl. Umsatzsteuer).
6. Entscheidung
Abhilfe durch Erstgericht möglich
Gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 1 RVG kann das Erstgericht der Beschwerde abhelfen. Nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 RVG ist die Sache auch bei Teil-Abhilfe unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Umstritten ist, ob die Beschwerde durch die Unterschreitung des Beschwerdewerts nach Teilabhilfe unzulässig wird.
Entscheidung durch das Gericht
Zuständiges Beschwerdegericht ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 2 RVG unabhängig vom Instanzenzug der Hauptsache grundsätzlich das nächsthöhere Gericht (vgl. OLG Jena JurBüro 2005, 479). In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidet über die Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung des AG das OLG. Über die Beschwerde entscheidet bei Beratungshilfe – auch wenn eine Familiensache oder eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betroffen ist – aber stets das LG als nächsthöheres Gericht (OLG Köln AGS 2011, 85; OLG Düsseldorf AGS 2008, 556; a.A. OLG Naumburg RVGreport 2010, 382). Eine Beschwerde an den BGH findet gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht statt (BGH AGS 2010, 387 = MDR 2010, 946).
Weitere Beschwerde kann in der Beschwerdeentscheidung zugelassen werden
Das Beschwerdegericht muss von Amts wegen die Zulassung der weiteren Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG prüfen. Auf die Erläuterungen zur Beschwerdezulassung wird verwiesen.