Leitsatz
1. Im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO zur Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse besteht kein Formularzwang.
2. Das Gericht kann nicht erneut die Vorlage eines ausgefüllten Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen. Die schriftliche Erklärung der PKH-Partei, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht wesentlich verbessert haben, ist ausreichend.
LAG Köln, Beschl. v. 23.1.2009 – 5 Ta 18/09
1 I. Der Fall
Der Klägerin wurde PKH ohne Ratenzahlung bewilligt. Nach Abschluss des Hauptverfahrens wurde ein PKH-Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO durchgeführt, um zu prüfen, ob es bei der ratenfreien PKH verbleibe. Die Klägerin wurde hierzu aufgefordert, ein beigefügtes Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen. Sie hat jedoch lediglich erklärt, dass keine wesentliche Verbesserung eingetreten sei. Gleichwohl hat der Rechtspfleger die PKH aufgehoben, weil die Klägerin das übersandte Formular nicht ausgefüllt zurückgesandt hat. Gegen den Aufhebungsbeschluss wurde sofortige Beschwerde eingelegt.
2 II. Die Entscheidung
Keine Verpflichtung zur Verwendung des PKH-Vordrucks
Die sofortige Beschwerde war erfolgreich. Das Beschwerdegericht hat den Aufhebungsbeschluss aufgehoben, so dass es bei der ratenfreien PKH verblieb. Es hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zum PKH-Bewilligungsverfahren im PKH-Überprüfungsverfahren kein Formularzwang besteht. Damit ist das Beschwerdegericht zu Recht der h.M. in der Rechtsprechung gefolgt, wonach in dem Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO keine Verwendungspflicht für das PKH-Formular besteht und die PKH nicht schon deshalb nach § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben werden darf, weil das Formular nicht verwendet wurde (OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 310; OLG Dresden FamRZ 1998, 250; OLG Koblenz FamRZ 2000, 104 = EzFamR aktuell 1999, 247 = Rpfleger 1999, 450 = FuR 2000, 389).
Gericht muss ausdrücklich zur Erklärungsabgabe auffordern
Das Gericht darf sich daher im Rahmen der PKH-Überprüfung nicht allein darauf beschränken, die PKH-Partei aufzufordern, das übersandte PKH-Formular auszufüllen, sondern hat ausdrücklich aufzufordern, die in § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO geforderte Erklärung abzugeben (OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 48). Wird die Abgabe einer solchen Erklärung nicht ausdrücklich verlangt, liegt noch kein Pflichtverstoß der PKH-Partei vor, was auch dann gilt, wenn das Gericht darauf hingewiesen hat, dass im Falle der Nichtausfüllung des Formulars die PKH aufgehoben werden kann (OLG Braunschweig FamRZ 2009, 1507; OLG Köln JurBüro 2006, 656 = OLGR 2006, 875 = ZFE 2007, 79).
3 III. Der Praxistipp
Partei muss sich auf Verlangen des Gerichts erklären
Die Partei muss sich jedoch, auch wenn kein Formularzwang besteht, darüber erklären, ob eine wesentliche Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, da andernfalls das Gericht die bewilligte PKH ganz aufheben kann. (§ 124 Nr. 2 ZPO).
Erklärung ist ausreichend, aber es besteht Nachweispflicht
Es genügt jedoch, dass die Partei schriftlich erklärt, dass eine wesentliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingetreten ist. Der Rechtspfleger ist dann allerdings befugt, auch ergänzende Nachweise (z.B. Leistungsbescheide) anzufordern (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.2.2009 – 1 Ta 17/09), denn er ist berechtigt, der Partei aufzugeben, die im Rahmen der Auskunftspflicht gemachten Angaben zu vervollständigen, zu belegen oder sonst glaubhaft zu machen (OLG Karlsruhe JurBüro 2006, 153 = OLGR 2006, 609). Im Übrigen kann die Erklärung in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 1 ZPO auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.
Änderungen der Freibeträge des § 115 ZPO nur auf Antrag
Bei der Bestimmung der Ratenhöhe nach § 115 ZPO hat das Gericht vom Einkommen bestimmte Freibeträge abzuziehen. Ihre genaue Höhe ergibt sich aus der jährlichen Bekanntmachung des BMJ zu § 115 ZPO (zuletzt am 7.4.2011 – BGBl I S. 606). Erhöhen sich diese Beträge, kann dies dazu führen, dass sich das zu berücksichtigende Einkommen der PKH-Partei soweit vermindert, dass überhaupt keine Monatsraten mehr zu zahlen sind. Das Gericht hat solche Änderungen jedoch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. § 124 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 ZPO schreibt deshalb vor, dass die Änderungen nur auf Antrag, und selbst dann nur zu berücksichtigen sind, wenn die anzuordnenden Zahlungen auf Null sinken würden. Es empfiehlt sich daher nachzurechnen! Ein solcher Antrag kann durch die PKH-Partei selbst jederzeit gestellt werden.
Beschwerde gegen Aufhebungsentscheidung
Der Beschluss über die Aufhebung der PKH ist der Partei zwingend förmlich zuzustellen, weil mit der Zustellung eine Frist in Gang gesetzt wird. Gegen den Aufhebungsbeschluss findet die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO statt, was in Familiensachen und allen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt (vgl. §§ 76 Abs. 2, 113 Abs. 1 FamFG).
Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten
Die Zustellung ist an den Verfahr...