Leitsatz
Wurde dem Rechtsanwalt der Auftrag für eine einstweilige Anordnung auf Zuweisung der ehelichen Wohnung bereits vor dem 1.9.2009 erteilt, ist das gerichtliche Verfahren aber erst nach dem 31.8.2009 oder später anhängig geworden, so richtet sich der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren nach den bis zum 31.8.2009 geltenden Wertvorschriften, während der Verfahrenswert für die Gerichtskosten nach den ab dem 1.9.2009 geltenden Wertvorschriften festzusetzen ist. Für die Rechtsanwaltsgebühren ist in diesem Fall nach § 33 Abs. 1 RVG ein abweichender Wert festzusetzen.
AG Meiningen, Beschl. v. 15.11.2011 – 1 F 299/11
1 I. Der Fall
Der Antragsteller hatte am 15.7.2009 seinem Verfahrensbevollmächtigten den Auftrag erteilt, ein einstweiliges Anordnungsverfahren auf Zuweisung der ehelichen Wohnung einzuleiten. Nach Abschluss des Verfahrens berechnete der Anwalt seine Vergütung nach einem Gegenstandswert von 2.000,00 EUR. Dabei berief er sich gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG auf die Anwendung des bisherigen Rechts. Demnach sei für ihn von dem alten Gegenstandswert des § 53 Abs. 2 GKG auszugehen, der einen Festbetrag von 2.000,00 EUR vorsehe.
2 II. Die Entscheidung
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ist maßgebend das Gebührenrecht, das am Tage der Auftragserteilung zur jeweiligen Angelegenheit galt.
Datum der Auftragserteilung gilt auch bei Verweisung auf andere Gesetze
Soweit das RVG auf andere Kostengesetze verweist, gilt das Gleiche (§ 60 Abs. 1 S. 3 RVG). Es ist also jeweils die Fassung des in Bezug genommenen Kostengesetzes anzuwenden, das am Tag der anwaltlichen Auftragserteilung galt.
Das kann dazu führen, dass für den Anwalt ein anderer Wert gilt als für das Gericht.
In diesem Fall ist dann auf Antrag des Anwalts nach § 33 RVG ein gesonderter Wert festzusetzen.
Für den Anwalt gilt noch das GKG
Hier war der Auftrag vor dem 1.9.2009 erteilt worden, sodass die zum damaligen Zeitpunkt noch geltende in Bezug genommene Vorschrift des § 53 Abs. 2 GKG für den Anwalt anzuwenden war, die für einstweilige Anordnungen in Ehewohnungssachen einen unabänderlichen Festwert von 2.000,00 EUR vorsah.
Für das Gericht gilt bereits das FamGKG
Dass der Antrag erst nach dem 31.8.2009 bei Gericht eingereicht worden ist und damit gem. § 71 GKG für das Gericht bereits der neue Wert des zum 1.9.2009 in Kraft getretenen FamGKG galt, ist unerheblich.
Für das Gericht war von dem hälftigen Hauptsachewert auszugehen (§ 41 FamGKG). Der Hauptsachewert wiederum belief sich gem. § 48 Abs. 1 FamGKG auf 3.000,00 EUR, da es sich um ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung für den Zeitraum der Trennung handelte. Nach § 41 FamGKG war für die einstweilige Anordnung die Hälfte anzusetzen, also 1.500,00 EUR.
3 III. Der Praxistipp
1. Überblick
2. KostRMoG hat auch zu Wertveränderungen geführt
Die Entscheidung betrifft die Anwendung der Übergangsregelung des § 60 RVG aus Anlass des Inkrafttretens des FGG-ReformG und datiert aus 2011; diese Entscheidung gewinnt jedoch angesichts der Änderungen durch das 2. KostRMoG wieder an Aktualität. Auch nach dem 2. KostRMoG kann es vorkommen, dass die Werte nach altem und neuem Recht unterschiedlich sind.
Für das Gericht gilt immer der Wert, der bei Einleitung der Instanz maßgebend war (§ 71 GKG).
Für den Anwalt gilt dagegen das Datum seiner Auftragserteilung (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Das gilt – wie bereits ausgeführt – auch für Vorschriften, auf die das RVG Bezug nimmt (§ 60 Abs. 1 S. 3 RVG). Dabei ist es möglich, dass das Gericht bereits nach neuem Recht abrechnet, der Anwalt jedoch nach altem Recht; auch der umgekehrte Fall ist möglich.
2. Zukünftige Schadenersatzrenten
Wert für zukünftige Schadensersatzrenten hat sich reduziert
Nach § 42 Abs. 1 GKG a.F. waren bis zum 31.7.2013 zukünftige Schadensersatzrenten mit dem fünffachen Jahresbetrag (60 Monate) zu berechnen, während jetzt infolge des Wegfalls des § 42 Abs. 1 GKG a.F. mangels ausdrücklicher spezieller Regelung gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG der dreieinhalbfache Jahreswert (42 Monate) des § 9 ZPO gilt. Hier kann es zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen für Anwalt und Gericht kommen.
Beispiel
Der Anwalt war im Juli 2013 beauftragt worden, eine laufende Schadenersatzrente in Höhe von 2.000,00 EUR geltend zu machen; im August 2013 hat er die Klage eingereicht.
Für das Gericht gilt nach § 71 GKG die neue Fassung des GKG, die keine gesonderte Wertvorschrift mehr enthält, sodass für die zukünftigen Forderungen für die Gerichtsgebühren der dreieinhalbfache Jahreswert anzusetzen ist, also 42.000,00 EUR. Der Anwalt hat dagegen den Auftrag für die Klage bereits vor dem 1.8.2013 erhalten, sodass für ihn noch der fünffache Jahreswert des § 42 Abs. 1 GKG a.F. gilt, also 60.000,00 EUR.
Abwandlung
Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch war die Klage bereits vor dem 1.8.2013 eingereicht worden. Die Klage ist dann im August der Beklagten zugestellt worden, die sodann einen Anwalt mit der Klageabwehr beauftragt hat.
Während für das Gericht und den klagenden Anwalt der alte Wert gilt (60.000,00 EUR), rechnet der Anwalt der Beklagten bereits nach dem neuen Wert ab (§ 60 Abs. 1 S. 3 RVG). ...