Einführung
Ein Beklagter kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in jeder Lage des Verfahrens eine Widerklage gegen den Kläger und u.U. darüber hinaus auch eine Drittwiderklage gegen weitere Personen erheben. Je nach Einzelfall entstehen dadurch weitere Gerichtsgebühren. Daran wiederum schließen sich weitere Fragen an, über deren Beantwortung in der Praxis häufig Unklarheit besteht.
I. Streitwert
Wird in demselben Verfahren eine Widerklage erhoben, so wird damit kein neues Verfahren ausgelöst. Gebührenrechtlich bleibt es vielmehr bei einer einzigen Angelegenheit.
Grundsätzlich werden die Werte von Klage und Widerklage zusammengerechnet (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG), es sei denn, Klage und Widerklage betreffen denselben Streitgegenstand. Dann gilt nur der höhere Wert der beiden Anträge (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG).
Da durch die Widerklage gesonderte Gerichtskosten entstehen können, muss das Gericht nach Eingang der Widerklage den Streitwert des Verfahrens gegebenenfalls neu festsetzen (§ 63 Abs. 1 S. 1 GKG), spätestens jedenfalls bei Abschluss des Verfahrens (§ 63 Abs. 2 GKG).
II. Gerichtsgebühren
Widerklage löst Gebührendifferenz aus Mehrwert aus
Die Widerklage löst ebenso wie die Klage die Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen aus (erstinstanzlich Nr. 1210 GKG-KostVerz.). Da Klage und Widerklage jedoch dieselbe Angelegenheit betreffen, werden für die Widerklage keine gesonderten Gebühren erhoben; vielmehr wird nur die Gebührendifferenz zwischen den Gebühren aus dem Wert der Klage und den Gebühren aus dem Wert der Widerklage erhoben, sofern die Gebühren für die Klage bereits gezahlt sind. Im Übrigen werden die Gebühren voll erhoben.
Beispiel 1
Der Kläger klagt eine Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR ein und zahlt die 3,0 Gerichtsgebühren nach Nr. 1210 GKG-KostVerz. Später erhebt der Beklagte Widerklage in Höhe von 5.000,00 EUR.
Zu erheben sind jetzt weitere
3,0-Gebühr aus 13.000,00 EUR |
657,00 EUR |
abzüglich bereits gezahlter 3,0-Gebühr aus 8.000,00 EUR |
-498,00 EUR |
Restbetrag |
159,00 EUR |
Soweit der Kläger noch nicht gezahlt hat, etwa weil ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ist dagegen vom Widerkläger die volle Gebühr aus dem Wert der Widerklage zu erheben.
Beispiel 2
Wie vorangegangenes Beispiel 1; jedoch ist dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.
Zu erheben sind jetzt
3,0-Gebühr aus 5.000,00 EUR |
363,00 EUR |
III. Kostenschuldner
Kostenschuldner der weiteren Gebühr ist der Widerkläger
Kostenschuldner für die Kosten der Widerklage ist der Widerkläger, da er hinsichtlich der Widerklage als Antragsteller der Instanz i.S.d § 22 Abs. 1 S. 1 GKG anzusehen ist. Eine Zweitschuldnerhaftung des Klägers kommt nicht in Betracht.
IV. Fälligkeit
Weitere Gebühr wird sofort fällig
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG werden die weiteren Gerichtsgebühren aus dem Wert der Widerklage sofort fällig. Es gilt hier nichts anderes als bei der Gebühr für die Einreichung der Klage selbst.
V. Vorauszahlungspflicht
Keine Vorauszahlungspflicht
Eine Vorauszahlungspflicht besteht dagegen für die Kosten einer Widerklage nicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG). Das Gericht darf insbesondere nicht die Zustellung der Widerklage von der vorherigen Einzahlung der Gerichtskosten abhängig machen (häufiger Fehler).
Macht das Gericht zu Unrecht die Zustellung der Widerklage davon abhängig, dass weitere Gerichtskosten eingezahlt werden, ist hiergegen die Beschwerde nach § 67 GKG gegeben. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.
Gebühr kann sofort gefordert werden
Da die Gebühr jedoch bereits mit Einreichung fällig ist, kann sie sofort gegen den Widerkläger geltend gemacht werden. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG schließt nur aus, dass die Zustellung von der vorherigen Einzahlung abhängig gemacht wird. Ein Zahlungsaufschub ist damit nicht verbunden.
VI. Schlussabrechnung
Kostenausgleichung folgt nach Abschluss des Verfahrens
Nach Abschluss des Verfahrens sind die gesamten Gerichtskosten zu verteilen. Eine Quotierung nach den Kosten der Klage und den Kosten der Widerklage ist unzulässig (Gehrlein/Prütting/Schneider, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 91 Rn 4).
Da in der Regel der Kläger aufgrund der Gebührendegression mehr an Gerichtsgebühren gezahlt hat, als nach der Quote später auf ihn entfällt, hat er dann einen Ausgleichsanspruch.
Beispiel 3
Wie Beispiel 1; im Urteil werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Die gesamten Gerichtskosten belaufen sich auf 657,00 EUR. Hiervon trägt jede Partei die Hälfte, also 328,50 EUR.
Da der Kläger bereits 498,00 EUR gezahlt hat, steht ihm ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 169,50 EUR zu.
Beispiel 4
Wie Beispiel 1; Parteien schließen einen Vergleich und heben die Kosten gegeneinander auf.
Jetzt fällt nur eine 1,0-Gebühr i.H.v. 219,00 EUR an (Nr. 1211 GKG KostVerz.).
Die Kostenschuld des Klägers beläuft sich damit auf 109,50 EUR. Er erhält also aus der Landeskasse (498,00 EUR – 109,50 EUR =) 388,50 EUR zurück.
Die Kostenschuld des Beklagten beläuft sich ebenfalls auf 109,50 EUR. Er erhält daher aus der Landeskasse (159,00 EUR – 109,50 EUR =) 49,50 EUR zurück, soweit er bereits gezahlt hatte.
VII. Familienstreitsachen
Rechtslage in Familienstreitsachen ist die gleiche
In Familiens...