Leitsatz
Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind grundsätzlich ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten. Eine Partei ist nicht gehalten, einen am Gerichtsort oder an ihrem Wohnort ansässigen Anwalt zu beauftragen.
VG Würzburg, Beschl. v. 23.1.2009 – W 4 M 08.1340
1 I. Der Fall
Der außerhalb des Gerichtsorts wohnende Kläger hatte einen Prozessbevollmächtigten beauftragt, der seine Kanzlei weder am Sitz des Gerichts noch am Sitz der Partei unterhielt, sondern an einem weiter vom Gericht entfernten Ort, der allerdings immer noch im Gerichtsbezirk lag. Nach Abschluss des Verfahrens meldete der Kläger die ihm entstandenen Kosten zur Festsetzung an, darunter auch die Reisekosten seines Prozessbevollmächtigten. Dem widersprach der Beklagte und wandte ein, es seien die Grundsätze für die Einschaltung eines "auswärtigen Rechtsanwalts" anwendbar. Die Prozessbeteiligten hätten die Pflicht, die Kosten zu minimieren. Der Kläger hätte einen Rechtsanwalt in der Nähe beauftragen können. Bei den Reisekosten des Bevollmächtigten dürfe daher nur von der Entfernung zwischen Wohnsitz des Klägers und Sitz des Gerichts ausgegangen werden. Der Urkundsbeamte ist den Einwendungen des Beklagten gefolgt und hat die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten teilweise abgesetzt, da es nicht notwendig gewesen sei, einen weiter entfernt ansässigen Anwalt zu beauftragen.
Die dagegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Zweckentsprechende Kosten sind zu erstatten
Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu den erstattungsfähigen Kosten.
Grundsätze der Reisekostenerstattung gelten nicht für den im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt
Es kann dahinstehen, ob die Überlegungen des Urkundsbeamten zur Schwierigkeit des Falles und zur Qualifikation des Bevollmächtigten des Klägers zutreffen. Die Grundsätze für die Erstattung der Kosten eines "auswärtigen" Rechtsanwalts sind nämlich gar nicht anwendbar. Der Sitz der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers befindet sich im Bezirk des Gerichts. Es kann hier § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO herangezogen werden. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosen eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die bei einer Rechtsprechungsrecherche gefundenen Fälle betrafen allesamt die Beauftragung von Rechtsanwälten, deren Kanzleisitz außerhalb des Bezirks des angerufenen Gerichts und weit entfernt war.
Erstattung der Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk ist allgemeine Meinung
Es dürfte allgemeiner Meinung entsprechen, dass die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts immer erstattungsfähig sind (siehe z.B. BVerwG, Beschl. v. 11.9.2007, BayVBl. 2008, 157; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 162 Rn 10a; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn 50; Neumann, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 162 Rn 68).
3 III. Der Praxistipp
Keine Notwendigkeitsprüfung
Die Entscheidung ist zutreffend. Nur hinsichtlich der Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts ist zu prüfen, ob dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO). Nach § 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO sind die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts dagegen immer erstattungsfähig. Eine Notwendigkeitsprüfung ist hier ausgeschlossen (so bereits LG Krefeld AGS 2011, 211 = JurBüro 2011, 307 = RVGreport 2011, 235).