Leitsatz
Die Beiordnung als Pflichtverteidiger erstreckt sich nicht automatisch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.4.2012 – III-1 Ws 84/12
1 I. Der Fall
Der Anwalt war in einem Strafverfahren als Pflichtverteidiger bestellt. Gegenstand dieses Verfahrens waren auch vermögensrechtliche Ansprüche des Geschädigten. Nach Abschluss des Verfahrens meldete der Anwalt u.a. auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV zur Festsetzung an, die der Urkundsbeamte absetzte. Auf die Erinnerung änderte das LG die Festsetzung des Urkundsbeamten ab und setzte die beantragte Gebühr fest. Die Beschwerde des Bezirksrevisors führte zur Zurückweisung der Erinnerung.
2 II. Die Entscheidung
Pflichtverteidigung erstreckt sich nicht auf Adhäsionsverfahren
Der Pflichtverteidiger war der Angeklagten im Strafverfahren beigeordnet, nicht jedoch auch für das Adhäsionsverfahren. Daher kann er die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4143 VV für die Vertretung der Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht verlangen. Der Gebührenanspruch gegenüber der Landeskasse setzt gem. §§ 45, 48 RVG die Beiordnung des Pflichtverteidigers auch für das Adhäsionsverfahren voraus. Eine solche Beiordnung hat indes nicht stattgefunden.
Beiordnung ist nur im Wege der Prozesskostenhilfe möglich
Insbesondere ergibt sich eine Erstreckung nicht aus § 404 Abs. 5 StPO, § 121 Abs. 1 ZPO, denn Prozesskostenhilfe ist der Angeklagten für das Adhäsionsverfahren nicht bewilligt worden. In der Beiordnung als Pflichtverteidiger gem. §§ 140 ff. StPO liegt nicht auch schon die Beiordnung als Vertreter im Adhäsionsverfahren.
Erforderlich sind Bedürftigkeit und hinreichende Erfolgsaussichten
Die Vorschrift des § 404 Abs. 5 StPO konstituiert abweichend von § 140 StPO zusätzliche Voraussetzungen, unter denen ein Pflichtverteidiger auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnet werden kann: Wie jeder, der eine staatliche Subvention zur Abwehr einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme begehrt, muss auch ein Angeklagter gem. §§ 114 ff. ZPO bedürftig sein; zudem muss seine Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen und darf nicht mutwillig erscheinen. Weil diese zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, kann in der bloßen Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nicht zugleich schon die Beiordnung auch für das Adhäsionsverfahren liegen.
3 III. Der Praxistipp
Entscheidung entspricht der ganz h.M.
Das OLG Düsseldorf folgt der ganz h.M. (KG RVGreport 2011, 142 = JurBüro 2011, 254; OLG Hamburg StraFo 2010, 307 = NStZ 2010, 652; OLG Oldenburg AGS 2010, 427 = NdsRpfl 2010, 256 = StraFo 2010, 306; OLG Stuttgart AGS 2009, 387 = Justiz 2009, 201 = NJW-Spezial 2009, 313 u. 493 = NStZ-RR 2009, 264; OLG Bamberg StRR 2009, 3 = NStZ-RR 2009, 114; OLG Brandenburg AGS 2009, 69 = StRR 2009, 3; OLG Jena Rpfleger 2008, 529 = RVGreport 2008, 395 = NJW-Spezial 2008, 697 = StRR 2008, 429; OLG Celle AGS 2008, 229 = NStZ-RR 2008, 190 = StV 2008, 370 = RVGreport 2008, 102 = StRR 2008, 83; OLG Zweibrücken JurBüro 2006, 643 = RVGreport 2006, 429; OLG München StV 2004, 38; a.A. OLG Rostock AGS 2011, 486 = StraFo 2011, 378 = StV 2011, 656; AGS 2011, 540 = StRR 2011, 327 = RVGreport 2011, 423 = StRR 2011, 441 = NJW-Spezial 2011, 732; OLG Dresden AGS 2007, 404; OLG Köln AGS 2005, 436 = StraFo 2005, 394 = RVGreport 2005, 316).
Will der Anwalt später mit der Landeskasse abrechnen können, muss er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragen.