I. Außergerichtliche Vertretung
Soweit der Anwalt einen Beteiligten außergerichtlich vertritt, erhält er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Soweit der eine Ehegatte Überlassung der Ehewohnung beantragt und der andere eine Nutzungsentschädigung geltend macht, handelt es sich um denselben Gegenstand. Die Gebühren entstehen nur einmal aus dem einfachen Wert (s.u. Beispiel 2).
Kommt es nachfolgend zu einem gerichtlichen Verfahren, so ist die Geschäftsgebühr hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV). Das gilt auch dann, wenn die Ehewohnungssache als Folgesache im Verbund anhängig gemacht wird.
Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass der außergerichtlichen Vertretung und der nachfolgenden gerichtlichen Vertretung derselbe Gegenstand zugrunde liegt. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Anspruch auf Überlassung für die Zeit der Trennung und die Überlassung aus Anlass der Scheidung um zwei verschiedene Gegenstände handelt, sodass insoweit nicht angerechnet werden darf (s.u. Beispiele 6–8).
Wird eine Einigung getroffen, so entsteht eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
II. Erstinstanzliches Verfahren
Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren richtet sich die Vergütung des Anwalts nach Teil 3 Abschnitt 1 VV, also nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzu kommen kann eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV) erhält der Anwalt eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 u. 2 VV auf 0,8 ermäßigen kann. Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 3 VV ist unanwendbar.
Beispiel 5: Verfahren ohne gerichtlichem Termin
Der Anwalt beantragt für die Ehefrau die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung. Der Antrag wird später wieder zurückgenommen, ohne dass mündlich verhandelt worden ist.
Der Anwalt erhält eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) aus dem Wert von 3.000,00 EUR.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
|
261,30 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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53,45 EUR |
|
Gesamt |
|
334,75 EUR |
Ist vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr angefallen, so ist diese hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV), soweit diese denselben Gegenstand betrifft.
Beispiel 6: Anrechnung der Geschäftsgebühr (I)
Der Anwalt verlangt außergerichtlich für die Ehefrau die Überlassung der Ehewohnung für die Trennungszeit, was der Ehemann ablehnt. Daraufhin wird ein gerichtliches Verfahren auf Überlassung der Ehewohnung eingeleitet. Der Antrag wird später wieder zurückgenommen, ohne dass mündlich verhandelt worden ist.
Der Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit ist derselbe wie der des gerichtlichen Verfahrens, sodass nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen ist. Ausgehend von der Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen.
I. Außergerichtliche Vertretung
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
|
261,30 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
53,45 EUR |
|
Gesamt |
|
334,75 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
|
261,30 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 3.000,00 EUR |
|
-130,65 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
|
241,20 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
391,85 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
74,45 EUR |
|
Gesamt |
|
466,30 EUR |
Beispiel 7: Anrechnung der Geschäftsgebühr (II)
Der Anwalt verlangt außergerichtlich für die Ehefrau die Überlassung der Ehewohnung für die Trennungszeit, die sie auch erhält. Über eine Nutzungsentschädigung können sich die Beteiligten nicht verständigen, sodass es hierüber zum gerichtlichen Verfahren kommt.
Der Gegenstand ist auch hier derselbe, sodass anzurechnen ist. Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.
Liegt der außergerichtlichen Vertretung eine andere Ehewohnungssache zugrunde, ist nicht anzurechnen. Das ist z.B. der Fall, wenn außergerichtlich der Anspruch auf Überlassung für die Zeit der Trennung geltend gemacht wird und im gerichtlichen Verfahren die Überlassung aus Anlass der Scheidung.
Beispiel 8: Keine Anrechnung der Geschäftsgebühr
Der Anwalt ist außergerichtlich mit der Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung beauftragt, die jedoch nicht weiter verfolgt wird. Später kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren mit mündlicher Verhandlung über die Überlassung der Ehewohnung aus Anlass der Scheidung.
Da der außergerichtlichen Vertretung und dem gerichtlichen Verfahren verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, scheidet eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV aus.
I. Außergerichtliche Vertretung
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
|
261,30 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
|
3. |
1... |