aa) Scheinbarer Widerspruch
Fasst man beide Regelungen, also die des § 3a Abs. 3 RVG und die des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, zusammen, ergibt sich scheinbar ein Dilemma, da das RVG dem Anwalt erlaubt, etwas zu vereinbaren, von dem die ZPO verbietet, es einzufordern. Wie dieser scheinbare Konflikt zwischen § 3a Abs. 3 RVG und § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu lösen ist, ist in der Rechtsprechung bisher – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Die Kommentarliteratur ist, sofern sie das Problem überhaupt behandelt, uneins.
bb) Auffassung von Mayer
Nach der Auffassung von Mayer (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 22. Aufl., 2015, § 3a Rn 42) soll die Vereinbarung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung zwar wirksam sein; nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO soll der Anwalt allerdings für die Dauer seiner Beiordnung ausnahmslos gehindert sein, die Vergütung einzufordern. Werde allerdings die Prozesskostenhilfe aufgehoben, dann falle die Sperrwirkung weg und der Anwalt könne aus der Vereinbarung vorgehen. Gegen diese Auslegung spricht allerdings, dass § 3a Abs. 3 RVG in diesem Falle sinnlos wäre. Wird die Beiordnung aufgehoben, dann steht dem Anwalt gegen seinen Mandanten ohnehin die gesetzliche Vergütung zu, auch ohne dass er diese mit ihm vereinbart hat. Die Möglichkeit, nach § 3a Abs. 3 RVG eine Vergütungsvereinbarung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung zu schließen, wäre damit sinnlos, weil nur vereinbart werden könnte, was bereits gesetzlich gilt.
cc) Auffassung von Kroiß
Des Weiteren wird vertreten, der Anwalt dürfe eine Vereinbarung nach § 3a Abs. 3 RVG schließen, er sei jedoch nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO daran gehindert, die Vergütung einzufordern. Zahle der Mandant jedoch freiwillig und vorbehaltlos, dann dürfe der Anwalt diese Vergütung behalten. Der Mandant könne sie dann nicht zurückfordern (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., 2013, § 3a Rn 52). Auch diese Auslegung ergibt wenig Sinn. Den Rückforderungsausschluss, wonach eine Zahlung nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Zahlende in Kenntnis seiner Nichtschuld zahlt, regelt bereits § 814 BGB. So würde ein Mandant, der in Kenntnis dessen, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet ist und dem Anwalt ohne Vereinbarung freiwillig die gesetzlichen Gebühren zahlt, diese auch nicht zurückverlangen können (§ 814 BGB). Von daher fragt es sich, warum hierüber dann noch eine Vereinbarung getroffen werden muss.
dd) Zutreffende Lösung
Die zutreffende Lösung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Das Dilemma ist nämlich nur ein scheinbares. Tatsächlich besteht gar kein Konflikt zwischen diesen beiden Regelungen. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ist der Anwalt nur gehindert, die gesetzliche Vergütung gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen. Vereinbart der Anwalt mit seinem Mandanten jedoch, dass dieser ihm die Differenz zwischen den Pflicht- und den Wahlanwaltsgebühren zahlen soll, dann handelt es sich hierbei nicht mehr um die gesetzliche Vergütung, sondern um eine vereinbarte Vergütung. Mag die Höhe und auch die Berechnung der Vergütung die gleiche sein, ist die Grundlage jetzt jedoch eine andere. Die Höhe der Vergütung ergibt sich nämlich nicht mehr aus den gesetzlichen Vorschriften, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung. Diese Differenzierung entspricht im Übrigen bereits schon lange der Auffassung der Rechtsprechung. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Verfahren nach § 11 RVG nur gesetzliche Vergütungen festsetzbar sind. Die Rechtsprechung lehnt es hier – zu Recht – kategorisch ab, eine vereinbarte Vergütung festzusetzen, selbst wenn sie in gesetzlicher Höhe vereinbart worden ist. Legt man § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO so aus, dass nur der gesetzliche Vergütungsanspruch gesperrt ist, ergeben sich keine Probleme. Soweit der Anwalt mit dem Mandanten vereinbart, dass dieser die Differenz zwischen den PKH- und Wahlanwaltsbeträgen zahlt, ist die Vereinbarung nach § 3a Abs. 3 RVG wirksam und verbindlich. Der Anwalt kann diese Vergütung einfordern und wird durch § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hieran nicht gehindert.
Der Mandant wird auch hinreichend geschützt. Zum einen bewahrt ihn § 3a Abs. 3 RVG davor, dass von ihm eine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangt werden kann. Vergütungsvereinbarungen, die darüber hinausgehen, sind insgesamt nichtig und lösen keinen Vergütungsanspruch aus.
Wird der Mandant vom Anwalt fehlerhaft beraten, etwa dahingehend, dass er die Vereinbarung abschließen müsse, oder wird der Mandant unter Androhung der Mandatsniederlegung o.ä. zum Abschluss einer solchen Vereinbarung genötigt, dann ist dieses Problem nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen zu lösen, etwa durch eine Anfechtung oder Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen fehlerhafter oder unterlassener Beratung oder dadurch, dass man eine solche Vereinbarung bereits als sittenwidrig ansieht (siehe hierzu BGH NJW 2013, 1591; LG Karlsruhe MDR 1991, 548).
Eines weitergehenden Schutzes bedarf es nicht. Der Mandant ist nicht gezwungen, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen. Ist dem Mandanten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt und sein Anwalt beigeordnet worden, hat dieser keine...