Wechselseitige Scheidungsanträge sind möglich
Im Scheidungsverbundverfahren kann es dazu kommen, dass beide Ehegatten wechselseitig Scheidungsanträge stellen. Dies kann vor allen Dingen prozesstaktische Gründe haben. Solange nur ein Ehegatte den Scheidungsantrag gestellt hat, ist er Herr des Verfahrens und kann den Scheidungsantrag – jedenfalls so lange noch nicht mündlich verhandelt worden ist – jederzeit wieder zurücknehmen. Stellt dagegen der andere Ehegatte ebenfalls einen Scheidungsantrag, dann kann der antragstellende Ehegatte durch Zurücknahme seines Antrags das Verfahren nicht mehr beenden.
Bewertungsprobleme ergeben sich, wenn die wechselseitigen Scheidungsanträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingereicht werden.
Bewertung eines Scheidungsantrags erfolgt auf den Tag der Einreichung
Für die Bewertung eines Scheidungsantrags kommt es nach § 34 S. 1 FamGKG auf den Zeitpunkt seiner Einreichung an. Auf diesen Zeitpunkt sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten zu ermitteln und als wertbildende Faktoren heranzuziehen (§ 43 Abs. 1, 2 FamGKG).
Nachträgliche Veränderungen sind unerheblich
Nachträgliche Veränderungen spielen für den Scheidungsantrag keine Rolle. Weder kann sich der Wert im Nachhinein erhöhen, wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verbessern, noch kann sich der Wert verringern, wenn die Einkommen und Vermögen sinken (OLG Koblenz AGS 2003, 409 = OLGR 2003, 234 = JurBüro 2003, 474 = FamRZ 2003, 1681 = AnwBl 2003, 596 = EzFamR aktuell 2003, 106 = FamRB 2003, 353).
Gegenteilige Auffassung ist unzutreffend
Die gegenteilige Auffassung (OLG Zweibrücken AGS 2002, 38 und 156 = FamRZ 2002, 255 = EzFamR aktuell 2002, 43), die zwar wertmindernde Faktoren außer Acht lässt, dagegen werterhöhende Faktoren während des Verfahrens berücksichtigen will (hier: gestiegenes Einkommen während des Scheidungsverfahrens), ist daher unzutreffend.
Bewertung für den Scheidungsantrag des Antragsgegners ist problematisch
Für den Scheidungsantrag des Antragsgegners ist die Sache dagegen problematischer. Grundsätzlich wäre für die Bewertung seines Antrags auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem dieser Antrag eingereicht wird. Insoweit können die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sich gegenüber der ursprünglichen Antragseinreichung verändert haben.
Beispiel
Die Ehefrau beantragt die Scheidung. Bei Einreichung des Antrags hat die Ehefrau ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.000,00 EUR und der Ehemann in Höhe von 3.000,00 EUR. Ausgehend hiervon setzt das Gericht den Wert des Verfahrens auf 3 x 5.000,00 EUR = 15.000,00 EUR fest. Zwei Jahre später beantragt nunmehr der Ehemann seinerseits die Scheidung.
a) Die Ehefrau hat zwischenzeitlich kein Einkommen mehr. Das Einkommen des Ehemannes ist auf 2.000,00 EUR gesunken. Ausgehend hiervon ergäbe sich ein dreifaches gemeinsames Monatseinkommen in Höhe von 6.000,00 EUR.
b) Das Einkommen der Ehefrau ist auf 3.000,00 EUR gestiegen, das des Ehemannes auf 5.000,00 EUR. Es ergibt sich jetzt ein Wert in Höhe von 3 x 8.000,00 EUR = 24.000,00 EUR.
Bewertet man den Scheidungsantrag des Ehemannes entsprechend den Einkommens- und Vermögensverhältnissen zum Zeitpunkt seiner Einreichung, ergäbe sich also im Fall a) ein geringerer Wert und im Fall b) ein höherer Wert. Beide Werte wären zu berücksichtigen, wobei allerdings nach § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG eine Wertaddition zu unterbleiben hätte, weil derselbe Gegenstand zugrunde liegt. Es wäre dann jedoch auf den höheren Wert abzustellen.
Im Falle a) bliebe es bei dem ursprünglichen Wert, während im Fall b) der Wert des Verfahrens auf 24.000,00 EUR steigen würde.
Diese Berechnung wird in der Kommentarliteratur überwiegend vertreten (Horndasch/Viefues/Volpert, Teil 3 Rn 57; Oestreich/Hellstab/Trenkle, § 43 Rn 8; Schneider/Herget/Thiel, Rn 7130).
Gegen eine solche Betrachtung spricht jedoch der Wortlaut des § 34 S. 1 FamGKG, der auf die jeweilige erste Antragstellung betreffend den jeweiligen Verfahrensgegenstand abstellt.
Maßgebend ist "erste Antragstellung"
Im Gegensatz zur Vorgängervorschrift des § 40 GKG wird nach § 34 S. 1 FamGKG auf die "erste Antragstellung" abgestellt. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers – der allerdings in der Begründung nicht zum Ausdruck gekommen ist – der Besonderheit des Familienrechts Rechnung getragen werden. Hier sind – im Gegensatz zum kontradiktorischen Zivilprozess – hinsichtlich desselben Gegenstands auch gleichlautende Anträge der Beteiligten möglich, insbesondere bei wechselseitigen Scheidungsanträgen. Mit dem Zusatz der "ersten" Antragstellung sollte klargestellt werden, dass auch dann die erste Antragstellung maßgebend ist, wenn im Verlaufe des Verfahrens von einem anderen Beteiligten ein gleichlautender Antrag gestellt wird.
Nachträgliche Wertveränderungen sollen unbeachtlich bleiben
Diese Regelung, dass bei gleichlautenden Anträgen der Zeitpunkt der jeweiligen ersten Antragstellung maßgebend ist, soll klarstellen, dass hinsichtlich eines einmal gestellten Antrags nachträgliche Ve...