1. Überblick
"Fiktive" Terminsgebühren
Mit den "sonstigen Terminen" ("…, wenn nichts anderes bestimmt ist", s. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV a.E.) will der Gesetzgeber die in den Nrn. 3104 und 3105 VV geregelten fiktiven Termine erfassen, für die der Anwalt eine Terminsgebühr auch dann erhalten soll, wenn gar kein Termin nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV stattgefunden hat. Damit werden erfasst:
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Entscheidungen im schriftlichen Verfahren im Einverständnis der Parteien (Anm. Abs. 1 Nr. 1, 1. Var. zu Nr. 3104 VV), |
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Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 307 ZPO (Anm. Abs. 1 Nr. 1, 2. Var. zu Nr. 3104 VV), |
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schriftliche Entscheidung im Verfahren nach § 495a ZPO (Anm. Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. zu Nr. 3104 VV), |
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Mitwirkung beim Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (Anm. Abs. 1 Nr. 1, 4. Var. zu Nr. 3104 VV), |
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Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren (Anm. Abs. 2 Nr. 1 zu Nr. 3105 VV). |
Obligatorische mündliche Verhandlung erforderlich
Für diese Termine kann eine Terminsgebühr allerdings nur entstehen, wenn im zugrunde liegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Im Gegensatz zu den "echten" Terminen nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV soll also für die fiktiven Termine eine Gebühr nur ausgelöst werden, wenn eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Daher scheiden diese Varianten im selbstständigen Beweisverfahren sowie im den Beschlussverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aus. Bei den letzteren Verfahren ist Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV erst anwendbar, wenn das Gericht ins Urteilsverfahren übergeht.
2. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis mit den Parteien
Wird im Einverständnis mit den Parteien (insbesondere nach § 128 Abs. 2 ZPO) ohne mündliche Verhandlung entschieden, entsteht die Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV). Zwei Voraussetzungen sind zu beachten:
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Es muss eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen sein. Bei dieser Entscheidung muss es sich nicht um eine Endentscheidung handeln. Vielmehr genügt jede Entscheidung, durch die die beabsichtigte Endentscheidung wesentlich sachlich vorbereitet wird, wie z.B. ein Hinweis- oder Beweisbeschluss, nicht jedoch eine Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung (AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider, Nr. 3104 VV Rn 61). |
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Die Entscheidung muss aufgrund des Einverständnisses der Parteien (insbesondere nach § 128 Abs. 2 ZPO) ohne mündliche Verhandlung ergangen sein. Es muss sich also um eine Entscheidung handeln, die ansonsten nur aufgrund mündlicher Verhandlung hätte ergehen dürfen. Hätte die Entscheidung ohnehin ohne mündliche Verhandlung ergehen können, kann eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht entstehen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn nur noch über die Kosten entschieden wird (BGH AGS 2007, 610 = RVGreport 2007, 460 = JurBüro 2008, 23 = NJW 2008, 668), da eine solche Entscheidung nach § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Gleiches gilt für die Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid, über den nach §§ 700 Abs. 1, 341 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (OLG Koblenz AGS 2011, 482 = JurBüro 2011, 590 = NJW-Spezial 2011, 604; AG Ansbach 2006, 544 = RVGreport 2006, 388). |
Beispiel 7
Nach Klageerhebung (Wert: 1.000,00 EUR) ordnet das Gericht mit Einverständnis der Parteien gem. § 128 Abs. 2 ZPO das schriftliche Verfahren an und entscheidet durch Urteil.
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV erhält der Anwalt die gleichen Gebühren wie bei mündlicher Verhandlung. Es entsteht also neben der 1,3-Verfahrensgebühr die volle 1,2-Terminsgebühr.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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104,00 EUR |
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(Wert: 1.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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96,00 EUR |
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(Wert: 1.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
220,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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41,80 EUR |
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Gesamt |
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261,80 EUR |
3. Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren
Antrag nicht erforderlich
Ergeht gem. § 307 ZPO ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren, entsteht ebenfalls die Terminsgebühr. Ein Antrag ist nicht erforderlich. Da ein Anerkenntnisurteil nur in Verfahren aufgrund mündlicher Verhandlung möglich ist (arg. e § 128 Abs. 4 ZPO), greift Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV immer. Die Terminsgebühr entsteht daher auch bei einem Anerkenntnis in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Saarbrücken AGS 2015, 16 = NJW-Spezial 2014, 732 = RVGreport 2015, 20).
Beispiel 8
Nach Zustellung der Klage über 1.000,00 EUR erkennt der Beklagte die Klageforderung an, so dass das Gericht ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung erlässt.
Beide Anwälte erhalten neben der Verfahrensgebühr eine volle Terminsgebühr. Abzurechnen ist wie im vorherigen Beispiel 7.
4. Schriftliche Entscheidung im Verfahren nach § 495a ZPO
Entscheidung muss an sich mündliche Verhandlung voraussetzen
Soweit das Gericht in einem sog. Bagatellverfahren (Streitwert bis 600,00 EUR) nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, entsteht ebenfalls die Terminsgebühr. Die Terminsgebühr entsteht dagegen auch hier nicht, wenn das Gericht zwar das Verfahren nach § 495a ZPO angeordnet hat, dann aber aufgrund...