I. Überblick
Werte von Klage- und Widerklageantrag werden grundsätzlich zusammengerechnet
Die Werte von Klage- und Widerklageantrag werden nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG zusammengerechnet, wenn die Ansprüche nicht denselben Gegenstand betreffen. Ist dagegen derselbe Gegenstand betroffen, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG).
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Verfahrenswert gering zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklageantrag die Arbeit des Gerichts vereinfacht (E. Schneider, MDR 1977, 177, 180).
II. Derselbe Gegenstand
Ausgangspunkt Identitätsformel
Eine Identität von Klage- und Widerklageantrag soll nach der von der Rspr. entwickelten sog. "Identitätsformel" dann vorliegen, wenn die Ansprüche aus Klage- und Widerklageantrag nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht beiden stattgeben kann: Danach liegt derselbe Gegenstand vor, wenn die antragsgemäße Bescheidung des einen Antrags notwendigerweise zur Zurückweisung des anderen Antrags führt (BGHZ 43, 31; RGZ 145; BGH NJW-RR 2003, 713).
Wirtschaftliche Identität muss hinzukommen
Dieser Grundsatz kann im Einzelfall, muss aber nicht immer zur richtigen Beantwortung der Frage führen, ob derselbe Verfahrensgegenstand betroffen ist oder mehrere Verfahrensgegenstände vorliegen, und hilft schließlich in vielen Fällen nicht weiter. Es hat deshalb stets eine sorgfältige individuelle Prüfung zu erfolgen, welches Ziel Antragsteller und Antragsgegner mit den wechselseitig gestellten Anträgen verfolgen möchten. Erforderlich ist weiterhin auch eine sog. „wirtschaftliche Identität“.
III. Wechselseitige Scheidungsanträge
Wechselseitige Scheidungsanträge betreffen denselben Verfahrensgegenstand
Beantragen beide Eheleute wechselseitig die Scheidung ihrer Ehe, so liegt derselbe Verfahrensgegenstand vor. Die Werte der jeweiligen Anträge sind zwar gesondert zu ermitteln, weil für den Wert des Verfahrens der wertmäßig höhere Antrag den Verfahrenswert bestimmt. Sie sind aber nicht zu addieren: Eine Ehe kann nur einmal geschieden werden. Die von der Rspr. entwickelte Identitätsformel hilft nicht weiter, denn die antragsgemäße Bescheidung des einen Antrags führt nicht notwendigerweise zur Zurückweisung des anderen Antrags. Das Gericht kann vielmehr beiden Anträgen nebeneinander stattgeben.
IV. Scheidungs- und Aufhebungsantrag
Scheidungs- und Aufhebungsantrag betreffen verschiedene Gegenstände
Wird wechselseitig einerseits Scheidung und andererseits Aufhebung der Ehe beantragt, gilt § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Die Werte werden zusammengerechnet, da es sich um verschiedene Gegenstände handelt. Aufhebung und Scheidung sind nicht derselbe Gegenstand i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG.
V. Wechselseitige Sorgerechts- und Umgangsrechtsanträge
Derselbe Verfahrensgegenstand liegt auch vor, wenn wechselseitige Sorge- oder Umgangsrechtsanträge dasselbe Kind betreffend gestellt werden. Die Werte werden nicht addiert. Hier besteht allerdings die Möglichkeit, den Regelwert des § 45 Abs. 1 FamGKG nach § 45 Abs. 3 FamGKG anzuheben.
VI. Wechselseitige Zugewinnausgleichsanträge
Begehren die Eheleute wechselseitig Zugewinnausgleich, sind die Werte für den jeweiligen Anspruch gesondert nach § 35 FamGKG zu bewerten. Dann sind sie zur Bestimmung des Verfahrenswertes nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu addieren.
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OLG Stuttgart AGS 2007, 47 = FamRZ 2006, 1055, |
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OLG Bamberg FamRZ 1995, 492, |
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OLG München FamRZ 1997, 41, |
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OLG Köln FamRZ 1997, 41; OLG Köln BRAGOreport 2001, 63 m. Anm. Schneider = FamRZ 2001, 1386, |
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OLG Celle AGS 2010, 614. |
A.A. ist derzeit lediglich das OLG Hamm, das wegen Identität nur den höheren Wert annimmt (noch zu § 45 Abs. 1 S. 3 GKG: RVGreport 2007, 38; Beschl. v. 9. 8. 2006 – 10 WF 154/06 (juris).
Das Rechtsschutzinteresse der Beteiligten in der Zugewinnausgleichssache besteht in dem geltend gemachten Zugewinnausgleich und es geht andererseits um die Abwehr der eigenen Inanspruchnahme. Die Identitätsformel hilft auch hier nicht weiter. Zwar schließen sich beide Ansprüche gegenseitig aus; die Zuerkennung des einen Antrags führt zwangsläufig zur Zurückweisung des anderen Antrags: Wirtschaftliche Identität liegt dennoch nicht vor.
Die Ehefrau beantragt Zugewinnausgleich in Höhe eines Betrages von 10.000 EUR. Widerklagend macht der Ehemann Zugewinnausgleich in Höhe eines Betrages von 5.000 EUR geltend:
VII. Wechselseitige Auskunftsanträge
Wechselseitige Auskunftsanträge betreffen verschiedene Verfahrensgegenstände
Wechselseitige Auskunftsanträge stellen immer verschiedene Verfahrensgegenstände dar, sodass zu addieren ist (§ 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG).
VIII. Wechselseitige Abänderungsanträge in Unterhaltssachen
Wechselseitige Unterhaltsabänderungsanträge betreffen verschiedene Gegenstände
Wird wechselseitig Unterhaltsabänderung beantragt, so liegen ebenfalls verschiedene Gegenstände vor.
Der Antragsteller begehrt die Heraufsetzung, der Antragsgegner widerklagend die Herabsetzung des titulierten Unterhaltsanspruchs.
Die Anwendung der „Identitätsformel“ würde dazu führen, dass derselbe Gegenstand angenommen werden müsste, weil die antragsgemäße Bescheidung...