Leitsatz
1. Die anwaltliche Mitwirkung bei Erledigung des Verfahrens muss ursächlich oder zumindest mitursächlich gewesen sein. Ein besonderer Zeit- oder Arbeitsaufwand ist dagegen nicht erforderlich.
2. Bei der Gebühr nach Nr. 4141 VV handelt es sich um eine Festgebühr in Höhe der jeweiligen Rahmenmitte.
KG, Beschl. v. 30.9.2011 – 1 Ws 66/09
1 I. Der Fall
Gegen den Mandanten war wegen des Verdachts des schweren Raubes ermittelt worden. Der Verteidiger des Beschuldigten hatte im Ermittlungsverfahren bereits schriftsätzlich dessen Täterschaft bestritten. Ungeachtet dessen hatte die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Das Gericht hat jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt. Hiernach beantragte der frühere Angeklagte die Festsetzung der ihm entstandenen Verteidigerkosten, darunter auch einer Gebühr nach Nr. 4141 VV. Diese Gebühr hat die Rechtspflegerin abgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Zusätzliche Gebühr bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens
Eine zusätzliche Gebühr entsteht nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV auch dann, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung dadurch entbehrlich wird, dass das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.
Beitrag des Anwalts muss ursächlich oder mitursächlich gewesen sein
Nach der Rspr. des KG muss für die Verfahrensbeendigung die anwaltliche Tätigkeit ursächlich oder jedenfalls mitursächlich gewesen sein, wobei eine kleinliche Kausalitätsprüfung nicht vorzunehmen ist. Die Beweislast trägt insoweit der Erstattungspflichtige. Dieser muss die fehlende Mitwirkung des Anwalts beweisen.
Besonderer Aufwand des Anwalts ist nicht erforderlich
Soweit das KG früher zusätzlich verlangt hat, dass die Tätigkeit des Anwalts einen gewissen Mindestzeit- und Arbeitsaufwand verursacht haben muss (RVGprof. 2007, 79), hält es daran nicht mehr fest.
Gemessen an diesen Maßstäben reicht die vom Anwalt verfasste Einlassung, in der er die Täterschaft des früheren Angeklagten bestritt, aus, um den Gebührentatbestand der Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV auszulösen.
Unerheblich ist insoweit, dass die Einlassung im vorbereitenden Verfahren abgegeben worden ist. Es ist nicht erforderlich, die Einlassung im Zwischenverfahren zu wiederholen.
Zusätzliche Gebühr ist Festgebühr
Festgesetzt werden konnte die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV allerdings lediglich in Höhe der Mittelgebühr der Nr. 4112 VV. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift richtet sich die Höhe der Gebühr nach der Rahmenmitte der jeweiligen Verfahrensgebühr. Faktisch handelt es sich damit um eine Festgebühr.
Kein Toleranzbereich bei zusätzlicher Gebühr
Soweit der Verteidiger hier eine um 20 % erhöhte Mittelgebühr geltend gemacht hatte, konnte diesem Festsetzungsbegehren nicht entsprochen werden. Daran ändert auch die sog. "Toleranzrechtsprechung" nichts, wonach ein Überschreiten der angemessenen Gebühr um nicht mehr als 20 % noch nicht als unbillig angesehen werden kann. Da es sich bei der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV – wie bereits ausgeführt – um eine Festgebühr handelt, besteht gerade kein Ermessensspielraum.
Abzurechnen war daher wie folgt:
I. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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165,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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140,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
325,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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61,75 EUR |
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Gesamt |
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386,75 EUR |
II. Verfahren vor dem Amtsgericht
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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140,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nr. 4141, 4106 VV |
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140,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
300,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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57,00 EUR |
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Gesamt |
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357,00 EUR |
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend.
Förderung des Verfahrens reicht aus
Entgegen der Auffassung des KG ist noch nicht einmal eine Ursächlichkeit oder Mitursächlichkeit zu fordern. Es reicht grundsätzlich jede Tätigkeit des Anwalts, die in der Lage ist, das Verfahren dahingehend zu fördern, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird.
Mitwirkung in früherem Verfahrensstadium reicht aus
Es ist auch einhellige Rspr., dass die Mitwirkung nicht in dem Verfahrensstadium entfaltet worden sein muss, in dem sich das Verfahren erledigt hat. Tätigkeiten aus früheren Verfahrensabschnitten reichen insoweit aus (BGH AGS 2008, 491 = MDR 2008, 1366 = zfs 2008, 709 = AnwBl 2008, 886 = Rpfleger 2009, 48 = JurBüro 2008, 639 = DAR 2009, 56 = NJW 2009, 368 = BGHReport 2009, 51 = NJW-Spezial 2008, 701 = RVGreport 2008, 431 = RVGprof. 2008, 205 = VRR 2008, 438 = BRAK-Mitt 2008, 280 = StRR 2009, 78). Es muss nicht in jedem Verfahrensabschnitt gebetsmühlenartig wiederholt werden, was zuvor erklärt worden ist. Dies wäre unnötige Förmelei und würde nur zu einem Aufblähen der Akten führen. Hat der Verteidiger z.B. in einem frühen Stadium für seinen Mandanten eine Einlassung abgegeben, ist diese Akteninhalt geworden und in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen.
Es entspricht ...