I. Überblick
Nach Nr. 4141 VV erhält der Anwalt eine Zusätzliche Gebühr, wenn er durch seine Mitwirkung erreicht, dass sich das vorbereitende Verfahren erledigt oder dass im gerichtlichen Verfahren eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Dazu sieht Nr. 4141 VV verschiedene Erledigungstatbestände vor.
Neben dem jeweiligen Erledigungstatbestand muss eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Mitwirkung des Anwalts hinzukommen, die allerdings gesetzlich vermutet wird. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Mitwirkung liegt beim Gebühren- oder Erstattungsschuldner (AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 VV Rn 11 ff.; Burhoff, RVG, 4. Aufl., Nr. 4141 VV Rn 10). Nach der Rspr. sind an die Mitwirkung keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss die Mitwirkungshandlung nicht ursächlich gewesen sein (AG Köln AGS 2013, 229 = NJW-Spezial 2013, 381). Es reicht jede begleitende Tätigkeit, die dazu geeignet ist, die Erledigung des Verfahrens zu fördern (OLG Düsseldorf AGS 2003, 113 m. Anm. N. Schneider = AnwBl 2003, 307).
II. Die einzelnen Fälle
1. Nicht nur vorläufige Einstellung
Die Zusätzliche Gebühr entsteht immer, wenn das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV). Diese Variante kann – im Gegensatz zu den anderen Erledigungstatbeständen – auch im vorbereitenden Verfahren anfallen.
Die Einstellung muss nicht endgültig sein, sie darf lediglich nicht "nur vorläufig" gewollt sein. Ausreichend sind daher Einstellungen nach
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§ 153 Abs. 1 und 2 StPO, |
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§ 153a Abs. 1 und 2 StPO nach Erfüllung der Auflage, |
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§ 153b Abs. 1 und 2 StPO, |
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§ 153c Abs. 1, 2 und 3 StPO, |
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§ 154 Abs. 1 und 2 StPO (Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 16), |
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§ 154d S. 3 StPO, |
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§ 170 Abs. 2 S. 1 StPO (LG Offenburg Rpfleger 1999, 38), |
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§ 206a StPO (AG Magdeburg Rpfleger 2000, 514), |
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§ 206b StPO (Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 16), |
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§ 383 Abs. 2 StPO (Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 16), |
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§ 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG (LG Hagen AGS 2004, 71), |
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§ 37 BtMG (LG Hagen AGS 2004, 71). |
Keine zusätzliche Gebühr wird ausgelöst in den Fällen des § 153a StPO vor Erfüllung der Auflage, des § 154d S. 1 StPO und des § 205 StPO, da es sich insoweit nur um vorläufige Einstellungen handelt. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren ungeachtet der nur vorläufigen Einstellung nicht wiederaufgenommen wird, also wenn sich z.B. bei einer Einstellung nach § 205 StPO innerhalb der Verjährungsfrist der neue Aufenthalt des Beschuldigten nicht ermitteln lässt.
Beispiel 1
Der Anwalt wird im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren als Verteidiger tätig. Das Verfahren wird aufgrund seiner Mitwirkung nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.
Ausgehend von einer Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen.
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Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
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165,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
550,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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104,50 EUR |
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Gesamt |
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654,50 EUR |
Ausreichend ist eine Einstellung auch dann, wenn sich hiernach gem. § 43 Abs. 1 OWiG ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit anschließt. Das ist durch die Neufassung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG klargestellt worden. Die frühere gegenteilige Auffassung des BGH (AGS 2010, 1) ist daher nicht mehr vertretbar. Die Zusätzliche Gebühr kann dann im Bußgeldverfahren sogar erneut anfallen (jetzt nach Nr. 5115 VV).
Beispiel 2
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einem Verkehrsunfall wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Das Verfahren wird eingestellt und an die Bußgeldstelle abgegeben. Daraufhin wird ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts der Vorfahrtsverletzung eingeleitet, das schließlich ebenfalls eingestellt wird.
Im Strafverfahren ist abzurechnen wie im vorangegangenen Beispiel 1. Zur Abrechnung im Bußgeldverfahren s.u. B.
Eine vergleichbare Situation besteht, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt und gleichzeitig den Anzeigenerstatter auf den Privatklageweg verweist. Auch hier kann sich nach dem (Offizial-)Verfahren ein weiteres (Privatklage-)Verfahren anschließen. Auch insoweit handelt es sich aber um zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG, so dass die Einstellung unter Verweisung auf den Privatklageweg ausreicht, um die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV entstehen zu lassen (Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 22 Nr. 3).
Neben der nicht nur vorläufigen Einstellung muss eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Mitwirkung des Anwalts hinzukommen. Die Mitwirkung muss keinesfalls ursächlich für die Einstellung sein. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit (LG Arnsberg JurBüro 2007, 82; Burhoff, Nr. 4141 VV Rn 11; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 VV Rn 42; so auch schon zur BRAGO: OLG Düsseldorf AGS 2003, 112 = AnwBl 2003, 307).
Ausreichend ist insbesondere die Einlegung eines Einspruchs, verbunden mit einer Einlassung und einem Einstellungsantrag (LG Kiel RVGreport 2007, 24 = zfs 200...