1. Nicht nur vorläufige Einstellung
Zunächst entsteht auch im Bußgeldverfahren die Zusätzliche Gebühr, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV). Unabhängig vom Verfahrensstadium gilt, dass die Einstellung nicht nur vorläufig sein darf. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie endgültig sein muss. Sie darf lediglich nicht vorläufig gewollt sein; ob die Einstellung endgültig bleibt, ist unerheblich.
Zur Mitwirkung reicht es aus, dass der Anwalt für den Betroffenen eine Einlassung abgegeben hat. Des Weiteren genügt eine Sachverhaltsaufklärung, eine Besprechung mit der Verwaltungsbehörde über den Verfahrensfortgang oder die Benennung von Zeugen (AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 5115 VV Rn 26 ff.). Ebenso reicht das Bestreiten der Tat aus (N. Schneider in Anm. zu AG Halle AGS 2007, 85). Im Falle der Abgabe durch die Staatsanwaltschaft nach § 43 OWiG reicht es sogar aus, dass im Strafverfahren eine Einlassung abgegeben worden ist. Diese muss im Bußgeldverfahren nicht widerholt werden (BGH AGS 2008, 491 = AnwBl 2008, 886 = NJW 2009, 368 = RVGreport 2008, 431).
Klargestellt hat der BGH (AGS 2011, 128 = NJW 2011, 1605 = AnwBl 2011, 499 = RVGreport 2011, 182), dass es für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens genügt, wenn der Verteidiger seinem Mandanten dazu rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt. Erforderlich ist allerdings, dass der Verteidiger klar und deutlich zu erkennen gibt, dass sich der Betroffene auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft. Im Zweifel sollte dies ausdrücklich erklärt werden (AG Hamburg-Barmbek AGS 2011, 596).
Beispiel 13
Der Verteidiger erklärt, der Betroffene werde keine Aussage machen. Im Hinblick darauf wird das Verfahren nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV ist angefallen.
Nicht ausreichend ist dagegen die bloße Bestellung als Verteidiger, der Antrag auf Akteneinsicht oder die Einlegung eines Einspruchs ohne Begründung (AG Viechtach AGS 2006, 289 m. Anm. N. Schneider).
2. Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid
Die Zusätzliche Gebühr entsteht ferner bei Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid (Anm. Abs. 1 Nr. 2, 4 zu Nr. 5115 VV). Ist bereits ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, muss die Rücknahme früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, erklärt werden (zur Berechnung der Zwei-Wochen-Frist s. N. Schneider, DAR 2007, 671).
Beispiel 14
Gegen den Bußgeldbescheid (80,00 EUR) legt der Verteidiger Einspruch ein. Nach Beratung mit dem Betroffenen nimmt er den Einspruch später wieder zurück, bevor die Sache an das Amtsgericht abgegeben worden ist.
Der Verteidiger erhält jetzt neben der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 5115 VV.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
160,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115, 5109 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
340,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
64,60 EUR |
|
Gesamt |
|
404,60 EUR |
3. Rücknahme des Bußgeldbescheids und Neuerlass
Des Weiteren erhält der Anwalt die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115 VV, wenn gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt worden ist und die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurücknimmt, gleichzeitig aber einen neuen Bußgeldbescheid erlässt, gegen den kein Einspruch eingelegt wird. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Behörde einen unzutreffenden Bescheid erlassen hat und diesen nach Einspruch durch Rücknahme und Neuerlass korrigiert oder (Hauptanwendungsfall) wenn im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot ausgesprochen worden ist und der Verteidiger erreicht, dass im Wege der Rücknahme des Bußgeldbescheids und Neuerlasses gegen eine Erhöhung des Bußgeldes von dem Fahrverbot Abstand genommen wird.
Beispiel 15
Gegen den Bußgeldbescheid (80,00 EUR), in dem ein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt worden ist, legt der Verteidiger Einspruch ein. Die Verwaltungsbehörde nimmt den Bußgeldbescheid zurück und erlässt einen neuen Bußgeldbescheid ohne Fahrverbot, den der Betroffene akzeptiert.
Der Verteidiger erhält jetzt neben der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115, 5109 VV |
|
160,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
440,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
83,60 EUR |
|
Gesamt |
|
523,60 EUR |
4. Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV entsteht die Zusätzliche Gebühr ferner, wenn im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG entschieden wird und der Anwalt dazu beigetragen hat, dass das schriftliche Verfahren durchgeführt wird (LG Schwerin zfs 2002, 541; vgl. auch Burhoff, Nr. 5115 VV Rn 39 f.).
Beispiel 16
Gegen den Bußgeldbescheid über 40,00 EUR legt der Verteidiger Einspruch ein. Das Gericht bietet an, das Bußgeld auf 35,00 EUR herabzusetzen und darüber im schriftl...