Leitsatz
1. Das Erlöschen eines Gebührenanspruchs aufgrund einer in einem Vergleich mit Abgeltungsklausel vereinbarten Kombination von Erlass und Erfüllung stellt keine Erfüllung i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG dar, wenn der im Vergleich enthaltene Erlassvertrag nicht deutlich macht, in welchem Umfang die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr davon erfasst wird.
2. Eine als Nebenforderung geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr wird durch einen Prozessvergleich mit Abgeltungsklausel jedenfalls nur dann i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG tituliert, wenn und soweit der Vergleichsinhalt ausdrücklich einen den vorgerichtlichen Anwaltskosten zugeordneten Einzelbetrag ausweist.
OLG Bamberg, Beschl. v. 23.10.2013 – 1 W 40/13
1 I. Der Fall
Die Parteien hatten einen Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen:
"1. Zur Abgeltung sämtlicher Klageforderungen zahlt die Beklagte an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.365,00 EUR. Damit sind sämtliche Klageforderungen (auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten) abgegolten."
2. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.“
Hiernach beantragte der Kläger die Festsetzung seiner Kosten, wobei er eine anrechnungsfreie 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anmeldete. Der Beklagte wandte dagegen ein, die Verfahrensgebühr des Klägers dürfe nur unter Abzug einer nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig (hier: 0,65) anzurechnenden Geschäftsgebühr berücksichtigt werden. Die Rechtspflegerin hat die Verfahrensgebühr in voller Höhe berücksichtigt.
Der hiergegen erhobenen sofortigen Beschwerde des Klägers hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen, sondern die Sache dem OLG vorgelegt, das die Beschwerde zurückgewiesen hat.
2 II. Die Entscheidung
Der angefochtene Beschluss ist zutreffend. Die Rechtspflegerin hat bei der Festsetzung der dem Kläger zu erstattenden Kosten zu Recht davon abgesehen, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen, da die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht vorliegen.
Ein Dritter kann sich nur ausnahmsweise auf die Anrechnung einer Geschäftsgebühr berufen.
Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nur berufen,
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soweit er die anzurechnenden Gebühren gezahlt oder den Anspruch darauf anderweitig erfüllt hat, |
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wenn wegen dieser Gebühr gegen ihn bereits ein Vollstreckungstitel besteht oder |
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wenn beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. |
Hier war keine dieser Varianten gegeben. Weder durch den zwischen den Parteien zustande gekommenen Vergleich noch durch die Zahlung der Vergleichssumme ist eine "Erfüllung" der Geschäftsgebühr i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG eingetreten.
Vergleich muss den Umfang der Erfüllung klar bezeichnen
Der Formulierung in Nr. 1 des Vergleichs mag zwar zu entnehmen sein, dass bei der Bemessung und Berechnung des Vergleichsbetrags die Geschäftsgebühr mit eingeflossen ist. Es ergibt sich jedoch nicht, in welcher Höhe sie in der Vergleichssumme enthalten sein soll. Selbst im Fall vollständiger Leistung des Vergleichsbetrags kann damit nicht ohne weiteres festgestellt werden, inwieweit dieser Zahlung Erfüllungswirkung i.S.d. § 15a Abs. 2, 1. Var. RVG zukommen könnte, da nicht ersichtlich ist, welcher Teilbetrag auf die im Gesamtbetrag (möglicherweise) enthaltene Geschäftsgebühr entfallen soll. Es bleibt nämlich offen, ob und in welcher Höhe durch einen eventuellen vergleichsweisen Teilerlass auch und gerade der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr umfasst ist. Das Erlöschen eines Gebührenanspruchs durch eine Kombination aus Erlass und Erfüllung kann schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht als eine Erfüllung i.S.d. § 15a Abs. 2, 1. Var. RVG angesehen werden, wenn der im Vergleich liegende Erlassvertrag nicht deutlich macht, in welchem Umfang die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr hiervon berührt ist.
Abgeltungsklausel führt nicht zwingend zur Annahme einer Erfüllung
Auch aus der Abgeltungsklausel des Vergleichs folgt nicht zwingend, dass mit der Leistung der Vergleichssumme die geltend gemachten Ansprüche in voller Höhe als erfüllt gelten sollten. Die Abgeltungsklausel bedeutet lediglich, dass der Kläger auf die Forderungen, die die Vergleichssumme der Höhe nach übersteigen, bei Erfüllung des Vergleichs verzichtet. Im Hinblick auf die begrenzte Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren ist aber Voraussetzung für eine nach § 15a Abs. 2, 1. Var. RVG ausnahmsweise zulässige materiell-rechtliche Einwendung der Erfüllung, dass diese unstreitig oder ohne weiteres feststellbar ist. Das ist hier aber nicht gegeben.
Gesamtvergleich enthält mangels Bezifferung auch keine Titulierung
Es liegt auch keine Titulierung der Geschäftsgebühr i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG vor. Der Vergleich stellt keinen die Anrechnung nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG rechtfertigenden Vollstreckungstitel dar. Zweifelhaft ist bereits, ob durch die in einem Vergleich vereinbarte Abgeltungsklausel übe...