a) Überblick
Zusätzliche Fälligkeitstatbestände in gerichtlichen Verfahren
Neben den allgemeinen Fälligkeitstatbeständen des § 8 Abs. 1 S. 1 RVG tritt nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG in gerichtlichen Verfahren die Fälligkeit in drei weiteren Fällen ein, nämlich wenn
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eine Kostenentscheidung ergeht (1. Var.), |
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der Rechtszug endet (2. Var.) oder |
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das Verfahren länger als drei Monate ruht (3. Var.). |
Bedeutung haben diese Fälligkeitstatbestände nur, wenn nicht ohnehin schon nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist.
Teilfälligkeiten sind möglich
Jetzt sind im Gegensatz zu den Fälligkeitstatbeständen des § 8 Abs. 1 S. 1 RVG auch Teilfälligkeiten möglich.
b) Kostenentscheidung
Fälligkeit bei Kostenentscheidung
Ergeht eine Kostenentscheidung, ist i.d.R. das Verfahren beendet, so dass damit schon die Fälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG eingetreten ist. Das ist aber nicht zwingend. Ein Verfahren muss mit Erlass einer Kostenentscheidung noch nicht beendet sein.
Beispiel 5
Über eine Klageforderung in Höhe von 10.000,00 EUR ergeht ein Versäumnisurteil, gegen das Einspruch eingelegt wird. Über den Einspruch wird anschließend verhandelt.
Da das Versäumnisurteil eine Kostenentscheidung enthält, ist die bis dahin angefallene Vergütung fällig.
Beispiel 6
Es ergeht ein Strafbefehl, gegen den Einspruch eingelegt wird. Anschließend wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
Da der Strafbefehl eine Kostenentscheidung enthält, ist die bis dahin angefallene Vergütung fällig.
Beispiel 7
Gegen den Ehemann ergeht eine einstweilige Anordnung auf Unterhalt. Dagegen beantragt er die Durchführung der mündlichen Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG.
Da der Beschluss über die einstweilige Anordnung eine Kostenentscheidung enthält, wird die bis dahin angefallene Vergütung (i.d.R. nur die Verfahrensgebühr nebst Auslagen) fällig. Die weitere Vergütung (i.d.R. Terminsgebühr) wird dagegen erst nach der auf die mündliche Verhandlung ergehenden Entscheidung fällig.
Beispiel 8
Der Anwalt erwirkt für den Mandanten eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung. Dagegen wird Widerspruch nach §§ 936, 924 ZPO erhoben, so dass das Gericht mündlich verhandelt und die einstweilige Verfügung bestätigt. Später wird vom Antragsgegner gem. §§ 936, 927 BGB die Abänderung der einstweiligen Verfügung beantragt. In der darüber geführten mündlichen Verhandlung wird ein Vergleich geschlossen.
Der Beschluss über die einstweilige Verfügung enthält eine Kostenentscheidung, so dass die bis dahin angefallene Vergütung fällig geworden ist. Die weitere Vergütung im Verfahren über den Widerspruch, die noch zur selben Angelegenheit gehört, wird dagegen erst nach der auf die mündliche Verhandlung ergehenden Entscheidung fällig. Das Abänderungsverfahren zählt nach § 16 Nr. 5 RVG noch mit zum einstweiligen Verfügungsverfahren, so dass es zwar keine neue Angelegenheit auslöst; es können jedoch weitere Gebühren anfallen (z.B. – wie hier – eine Einigungsgebühr). Diese weitere Vergütung wird erst mit Abschluss des Abänderungsverfahrens fällig, so dass hier also drei Fälligkeitszeitpunkte bestehen.
Soweit Teilkostenentscheidungen ergehen (etwa bei Ausscheiden eines von mehreren Beklagten), werden die von der Teilkostenentscheidung erfassten Gebühren fällig (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 63 ff.).
c) Beendigung des Rechtzugs
Fälligkeit bei Beendigung des Rechtszugs
Mit der Beendigung des Rechtszugs ist das Ende des prozessualen Rechtszugs gemeint, nicht das des gebührenrechtlichen (OLG Naumburg JurBüro 1998, 81). Die Beendigung des Gebührenrechtszugs, nämlich der Angelegenheit, ist bereits in § 8 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. RVG geregelt (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 81). Der Rechtszug endet mit einer gerichtlichen Entscheidung, einem Vergleich, einer Einigung, der Rücknahme der Klage, des Rechtsmittels oder der Anklage oder eines sonstigen Antrags. Die gerichtliche Entscheidung muss die Instanz abschließen. Zwischenentscheidungen, wie etwa ein Zwischenurteil nach § 303 ZPO oder ein Grundurteil, führen daher noch nicht zur Fälligkeit.
Teilfälligkeiten sind möglich
Auch hier kommen allerdings Teilfälligkeiten in Betracht, nämlich dann, wenn Teilentscheidungen ergehen, die im Umfang ihrer Entscheidung den Rechtszug beenden.
Beispiel 9
Auf die Klage über 10.000,00 EUR ergeht ein Teilurteil i.H.v. 5.000,00 EUR.
Aus dem Teilwert von 5.000,00 EUR ist die Vergütung fällig geworden. Die weitere Vergütung wird erst später fällig.
Beispiel 10
In einem Verbundverfahren wird nach § 140 Abs. 2 FamFG der Versorgungsausgleich abgetrennt und über die Ehesache entschieden.
Ungeachtet der Abtrennung bleibt der Verbund erhalten (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG). Dabei bleibt es auch bei einer Angelegenheit (§ 16 Nr. 4 RVG). Hinsichtlich der Ehesache ist der Rechtszug allerdings beendet, so dass aus diesem Wert die Vergütung fällig geworden ist.
d) Ruhen des Verfahrens
Ruhen des Verfahrens im weiteren Sinne
Wenn ein Verfahren länger als drei Monate ruht, wird die Vergütung ebenfalls fällig. Das "Ruhen" des Verfahrens i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2, 3. Var. RVG ist nicht streng prozessual zu verst...