a) Überblick
RVG sieht fünf Fälligkeitstatbestände vor
Die Vergütung des Anwalts wird in Abweichung zu § 271 BGB nicht sofort fällig, sondern erst unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift enthält insgesamt fünf Fälligkeitstatbestände. Für den Eintritt der Fälligkeit genügt es, dass einer dieser Tatbestände erfüllt ist. Es können selbstverständlich auch kumulativ mehrere Fälligkeitstatbestände ausgelöst werden. Maßgebend ist dann der Fälligkeitstatbestand, der als erster verwirklicht worden ist (BGH AnwBl 1985, 257; BGH NJW-RR 1992, 255).
In allen Angelegenheiten tritt nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG Fälligkeit ein, wenn
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der Auftrag erledigt (1. Alt.) oder |
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die Angelegenheit beendet (2. Alt.) ist. |
b) Erledigung des Auftrags
Erledigung bei Erfüllung des Auftrags
Erledigt ist der Auftrag, wenn der Rechtsanwalt seinen Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag vollständig nachgekommen ist (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 19).
Erledigung bei Unmöglichkeit
Des Weiteren tritt eine Erledigung ein, wenn dem Anwalt die Fortsetzung seiner geschuldeten Tätigkeit unmöglich wird, also etwa bei Rückgabe oder Entzug seiner Zulassung (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 25).
Der Auftrag kann sich ferner auch dann erledigen, wenn er anderweitig aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr durchführbar ist, etwa im Scheidungsverfahren durch den Tod des Ehegatten (siehe § 131 FamFG).
Tod des Anwalts oder des Mandanten
Der Auftrag erledigt sich ferner durch den Tod des Anwalts, es sei denn, er war Mitglied einer Sozietät und der Auftrag war allen Sozien erteilt oder für ihn wird ein Abwickler nach § 55 BRAO bestellt (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 27). Durch den Tod des Auftraggebers erledigt sich der Auftrag im Zweifel nicht; es gilt § 672 S. 1 BGB (OLG Hamm JurBüro 1977, 350; AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 28).
Kenntnis des Anwalts erforderlich
Voraussetzung des Eintritts der Fälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. RVG ist, dass der Anwalt von der Erledigung Kenntnis erlangt (AG Waiblingen AnwBl 1999, 705). Erst mit Kenntnis der Erledigung kann er abrechnen, so dass auch erst dann die Fälligkeit eintritt.
Beispiel 3
Der Anwalt war im Jahr 2012 mit der rechtlichen Betreuung und Vorbereitung eines Wohnungsverkaufs beauftragt worden. Während des Mandats hat der Auftraggeber im November 2012 ohne Beteiligung des Anwalts die Wohnung verkauft. Hiervon hat der Anwalt erst im Februar 2013 erfahren.
Die Vergütung ist erst mit Kenntniserlangung, also im Februar 2013, fällig geworden, nicht schon bereits mit Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2012, so dass die Verjährung nach § 195 BGB erst mit Ablauf des Jahres 2016 eintreten wird.
c) Beendigung der Angelegenheit
Erreichen des Rechtsschutzziels oder Unmöglichkeit
Eine Angelegenheit ist beendet, wenn der Anwalt das Rechtsschutzziel des Mandanten verwirklicht hat oder wenn feststeht, dass sich das Ziel nicht erreichen lässt, z.B. wenn der Gegner endgültig erklärt, zu einer außergerichtlichen Einigung nicht bereit zu sein (LG Mannheim MDR 1965, 920 = AnwBl 1966, 30).
Kündigung des Mandats
Die Beendigung kann auch vorzeitig eintreten, nämlich dann, wenn der Anwalt das Mandat niederlegt, der Auftraggeber den Anwaltsvertrag kündigt oder beide Parteien den Vertrag einvernehmlich aufheben.
Aufhebung der Beiordnung
War der Anwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet und kündigt die bedürftige Partei das Mandat, so erledigt sich für ihn der Auftrag i.S.d. § 8 Abs. 1 RVG erst mit der Aufhebung seiner Beiordnung.
d) Keine Teilfälligkeiten
Eine teilweise Erledigung oder Beendigung reicht nicht aus, um die Fälligkeit herbeizuführen, da § 8 Abs. 1 S. 1 RVG – im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 S. 2 RVG – keine Teilfälligkeiten kennt. Unerheblich ist, ob noch Abwicklungstätigkeiten vorzunehmen sind. Solche Abwicklungstätigkeiten zählen zwar gebührenrechtlich noch zur Angelegenheit (s. § 19 RVG); sie sind für die Beendigung der Angelegenheit i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. RVG jedoch unerheblich. Zu diesen Abwicklungstätigkeiten gehören insbesondere die Einforderung der von der Gegenseite eventuell zu erstattenden Kosten, der Austausch vereinbarter Leistungen nach einem Vergleich (AG Köln AnwBl 1999, 487 = JurBüro 1999, 528; OLG Koblenz AGS 2007, 302 = RVGreport 2007, 191; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.1.2007 – 10 Ta 248/06), die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, die Kostenfestsetzung (LG Karlsruhe RVGreport 2008, 26) oder auch ein Berichtigungsverfahren nach § 319 ZPO (OLG Koblenz AGS 2007, 302 = AnwBl 2007, 550 = RVGreport 2007, 191).
Beispiel 4
Der Anwalt hatte im Dezember 2012 für seinen Mandanten einen Vergleich geschlossen, wonach dieser sich zur Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache verpflichtet hatte. Die Zug-um-Zug-Rückabwicklung ist erst im Januar 2013 vollzogen worden.
Die Vergütung ist mit Abschluss des Vergleichs fällig geworden, also noch im Dezember 2012, so dass die Verjährung nach § 195 BGB bereits mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten ist.