Die Vorschrift des § 15a RVG hat auch im Rahmen der Kostenerstattung bei rechtsschutzversicherten Mandaten Bedeutung, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer auch auf Zahlung der beim Gegner vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr in Anspruch genommen und verurteilt wird.
Versicherung deckt nicht materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche
Soweit er auf Zahlung der Geschäftsgebühr im Wege des materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruchs verurteilt wird (sei es Verzug, Vertragsverletzung oder Delikt), kann er insoweit nicht Freistellung bzw. Ersatz von seinem Rechtsschutzversicherer verlangen, da solche Schadensersatzansprüche nicht dem Versicherungsschutz unterfallen (AG München AGS 2011, 414 m. Anm. Henke = RVGreport 2011, 318; AG Düsseldorf AGS 2012, 96 = AGkompakt 2010, 54; AG Hamburg-Sankt Georg, Urt. v. 8.2.2007 – 914 C 606/06; Harbauer, ARB 2000, § 5 Rn 150; Prölls/Martin, ARB, 28. Aufl. 2010, ARB 2008/II, § 5 Rn 41; Buschbell/Hering, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn 60). Diese Beträge muss der Versicherungsnehmer vielmehr selbst aus eigener Tasche zahlen.
Lediglich die anschließend im Rechtsstreit festgesetzten Kosten, also der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, unterfällt dem Versicherungsschutz.
Dabei ergibt sich hier wiederum die Besonderheit, dass sich dieser prozessuale Kostenerstattungsanspruch dadurch gem. § 15a Abs. 2 RVG reduziert, dass der Versicherungsnehmer die Geschäftsgebühr zahlt bzw. zur Zahlung verurteilt wird.
Freistellung geht auf vollen prozessualen Kostenerstattungsanspruch unbeschadet der Anrechnung
Das ändert aber nichts daran, dass der prozessuale Kostenerstattungsanspruch zunächst einmal auf die volle Erstattung der im Prozess angefallenen Gebühren geht und insoweit Freistellung bzw. Erstattung vom Rechtsschutzversicherer verlangt werden kann. Die Zahlung des Versicherungsnehmers auf die Geschäftsgebühr kommt dem Rechtsschutzversicherer letztlich daher nicht zugute.
Beispiel
Der rechtsschutzversicherte Beklagte wird verurteilt, 8.000,00 EUR zu zahlen sowie eine daraus angefallene 1,5-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV):
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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618,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
638,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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121,22 EUR |
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Gesamt |
|
759,22 EUR |
Festgesetzt wird anschließend die um die Anrechnung verminderte Verfahrensgebühr.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
535,60 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
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|
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0,75 aus 8.000,00 EUR |
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-309,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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494,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
741,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
140,79 EUR |
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Gesamt |
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881,79 EUR |
Versicherer muss Anrechnungsbetrag erstatten
Dass der Versicherer die festgesetzten Kosten zahlen muss, ist eindeutig. Darüber hinaus muss der Rechtsschutzversicherer aber auch noch von weiteren Kosten freistellen. Im Rahmen des Versicherungsverhältnisses schuldet er nämlich die Freistellung des gesamten prozessualen Kostenerstattungsanspruchs. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr kommt ihm nicht zugute, da die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherer nicht vorliegen. Es ist also zu berechnen, welche Kosten der Versicherer hätte tragen müssen, wenn der Versicherungsnehmer die Geschäftsgebühr nicht gezahlt hätte bzw. nicht zur Zahlung verurteilt worden wäre. Dann hätte sich folgender Kostenerstattungsanspruch ergeben:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
535,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
494,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.050,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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199,50 EUR |
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Gesamt |
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1.249,50 EUR |
Da hiervon nur 881,79 EUR festgesetzt worden sind, muss der Versicherer folglich den Versicherungsnehmer in Höhe von weiteren 367,71 EUR freistellen. Im Ergebnis erhält der Versicherungsnehmer also noch die Hälfte seiner Geschäftsgebühr vom Rechtsschutzversicherer erstattet. Auch dies folgt wiederum daraus, dass sich in Höhe des Anrechnungsbetrages versicherte und nicht versicherte Kosten überschneiden. Insoweit reicht es aus, dass einer der sich überschneidenden Ansprüche im Rahmen der Rechtsschutzversicherung gedeckt ist.