Leitsatz
1. Für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Festsetzung der Beratungshilfe ist das übergeordnete Landgericht zuständig.
2. Die Vertretung mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft führt grundsätzlich zum Anfall einer Gebührenerhöhung. Dafür ist aber erforderlich, dass der Anwalt die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vertritt. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn die sozialhilferechtlichen Anträge bzw. Beratungsleistungen nur ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft betreffen (hier: Mehrbedarf wegen Behinderung/kostenintensiver Ernährung).
LG Gera, Beschl. v. 18.10.2012 – 5 T 400/11
1 I. Der Fall
Die Rechtsuchende, die mit ihren beiden Töchtern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, hatte die beschwerdeführende Anwältin in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren gegenüber der Bundesagentur für Arbeit beauftragt. Gegenstand war ein von der Rechtsuchenden jeweils für ihre Person geltend gemachter "Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II" sowie ein "Mehrbedarf wegen Behinderung" nach § 21 Abs. 4 SGB II. Dafür war der Rechtsuchenden Beratungshilfe bewilligt worden. Als Berechtigte im Beratungshilfeschein war allerdings nur die Rechtsuchende aufgeführt. Die Beschwerdeführerin reichte im weiteren Verlauf des Mandats ein Widerspruchsschreiben an die Bundesagentur für Arbeit und zeigte "die Vertretung der rechtlichen Interessen der Frau ... als Vorsitzende und Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft" an. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid führte die Bundesagentur für Arbeit nur die Rechtsuchende als Widerspruchsführerin auf, vertreten durch die Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin hat sodann die Festsetzung einer nach Nr. 1008 VV um 60 % erhöhten Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV in Höhe von 112,00 EUR nebst einer Pauschale nach Nr. 7002 VV und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV, insgesamt von 157,08 EUR beantragt.
Der Urkundsbeamte hat unter Absetzung der Gebührenerhöhung, verminderter Postpauschale und Umsatzsteuer insgesamt einen Betrag in Höhe von 99,96 EUR festgesetzt und an die Beschwerdeführerin überwiesen.
Hiergegen hat diese Erinnerung eingelegt. Zur Begründung der Gebührenerhöhung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sie für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Die Bedarfsgemeinschaft sei keine rechtliche Gemeinschaft. Alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien im Widerspruchsverfahren gegenüber der Bundesagentur für Arbeit vertreten worden.
Der Bezirksrevisor beim LG hat in seiner Stellungnahme insbesondere ausgeführt, nur die Rechtsuchende habe Beratungshilfe beantragt und bewilligt erhalten. Daher könne der Anwältin nur ein Anspruch auf Gebührenerstattung aus der Staatskasse in Höhe einer einfachen, nicht erhöhten Gebühr nach Nr. 2503 VV zustehen.
Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen, die jedoch keinen Erfolg hatte.
2 II. Die Entscheidung
Zuständiges Beschwerdegericht ist das LG
Das LG hat seine Zuständigkeit bejaht. Wird im Verfahren auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung gegen eine Entscheidung über die Erinnerung Beschwerde eingelegt, so entscheidet hierüber das LG als sachlich zuständiges Beschwerdegericht (§§ 33 Abs. 3, Abs. 4 S. 2, 56 Abs. 2 S. 1). Die Zuständigkeit im Beschwerderechtszug gegen die Vergütungsfestsetzung richtet sich nach dieser allgemeinen Regelung, die vorliegend zur Zuständigkeit des LG führt (§ 72 Abs. 1 GVG).
Festsetzungsverfahren richtet sich nicht nach dem FamFG, sondern nach dem RVG
Zwar gelten für das Verfahren der Beratungshilfe die Vorschriften des FamFG sinngemäß, soweit im BerHG nicht anderes bestimmt ist (§ 5 BerHG). Die Festsetzung der Beratungshilfevergütung richtet sich dagegen nicht nach dem BerHG, sondern nach dem RVG und ist damit keine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (ebenso OLG Hamm NJW-Spezial 2011, 571; OLG Frankfurt NJW-RR 2012, 1024).
In der Sache hat der Rechtsbehelf jedoch keinen Erfolg. Das AG hat die Festsetzung einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV zu Recht abgelehnt, denn die Beschwerdeführerin hat im Widerspruchsverfahren in kostenrechtlicher Hinsicht nur die Rechtsuchende vertreten.
Bedarfsgemeinschaft stellt Auftraggebermehrheit dar
Die Kammer geht davon aus, dass § 38 Abs. 1 S. 1 SGB II auch für die Frage Bedeutung erlangt, ob ein im Widerspruchsverfahren beauftragter Rechtsanwalt eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV beanspruchen kann. Wenn der Auftrag des Anwalts auch die Ansprüche der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zum Gegenstand hat, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Zweifel davon auszugehen, dass auch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Auftraggeber des Rechtsanwalts sind und damit eine Gebührenerhöhung anfällt.
Festsetzungsverfahren richtet sich nicht nach dem FamFG, sondern nach dem RVG
Im zugrunde liegenden Verfahren sind jedoch ausschließlich eigene Ansprüche der Rechtsuchenden geltend gemacht worden und nicht solche der Bedarfsgemeinschaft. In der Widerspruchsbegründung wurde lediglich angeführt, dass die Rechtsuchende als Vorsitzende und Ver...